Filmfestival im Acud: Gleichberechtigung locker gestemmt
Sensibilität in allen Genderfragen muss zukünftig einfach sein. Beim Visionär Filmfestival im Acud-Kino hat diese Zukunft längst begonnen.
Die DOK Leipzig, das Leipziger Filmfestival für Dokumentar- und Animationsfilme, hat vergangenes Jahr – als erstes Filmfestival weltweit – eine Frauenquote eingeführt. Der Anteil der Filme von Frauen im Wettbewerb betrug 40 Prozent. Immerhin.
Ganz ohne Quote kommt das diesjährige Visionär Filmfestival, das nächste Woche im Acud-Kino in Mitte stattfindet, auf einen weit höheren Frauenanteil im Wettbewerb: Acht der neun Beiträge stammen nicht von Männern.
Francesca Vantaggiato, die Leiterin des Festivals, sagt, bei dessen erster Ausgabe vor zwei Jahren kamen noch sechs der neun Filme von Männern. Ist halt so passiert. Aber das erschien ihr unbefriedigend. Sie wollte deswegen gezielt den Frauenanteil erhöhen.
Ziel sei es eben, auch bei einem relativ kleinen Filmfestival wie dem ihren zu zeigen, dass man das Wettbewerbsprogramm gut mit genügend Einreichungen von Frauen bestreiten kann. Auch sie wolle damit einfach ein Zeichen setzen. Andere Berliner Filmfestivals, wovon es über das ganze Jahr verteilt zig gibt, würden sich gleich ganz als Frauenfilmfestival verstehen. Das Final Girls Berlin Filmfestival etwa zeigt ausschließlich Horrorfilme, die entweder von Frauen gedreht, geschrieben oder produziert wurden, hat aber auch keinen Wettbewerb. Francesca Vantaggiato will ihr Festival dagegen bewusst weiterhin für alle offenhalten, gleichzeitig sei es jedoch ihr Wunsch, „den Filmen von Frauen nun mehr Sichtbarkeit zu geben“. Dass diese nun gleich so sichtbar sein werden, nun, das sei eben Zufall, im nächsten Jahr könne der Anteil schon wieder anders sein.
Das Festival
Das Visionär Filmfestival findet im Acud-Kino, Veteranenstraße 21, statt. Bei der dritten Ausgabe des Festivals vom 4. bis 7. April sind neun Filme im internationalen Wettbewerb zu sehen, daneben gibt es ein Kurzfilmprogramm mit Werken aus Berlin, bei dem ebenfalls der beste Film prämiert wird.
Die Förderung
Das Visionär Filmfestival will ausdrücklich den filmschaffenden Nachwuchs fördern und vor allem die Arbeit von Regisseurinnen sichtbarer machen. Man versteht sich außerdem als Plattform, die internationale Filmemacher mit der Berliner Filmszene kurzschließen möchte. (aha)
Thema liegt in der Luft
Bei einem Filmfestival, das sich „Visionär“ nennt, ist es letztlich auch naheliegend, darauf zu achten, dass in der Zukunft, die langsam mal beginnen sollte, nicht mehr nur Männer unter sich ausmachen, wer den Preis für den besten Film abräumt. Die Thematik liegt schließlich sowieso in der Luft. Beim letzten Filmfestival in Cannes wurde in einer Erklärung von filmschaffenden Frauen noch einmal darauf hingewiesen, wie verschwindend gering der Anteil von Regisseurinnen ist, deren Filme seit Bestehen des Festivals im Wettbewerb gezeigt wurden. Und die Tatsache, dass bei den letzten Filmfestspielen von Venedig von 21 Filmen im Wettbewerb gerade mal einziger von einer Frau gedreht wurde, macht wohl überdeutlich, dass auf dem Lido langsam auch mal ein paar neue Visionen nicht schaden würden.
Immerhin: Die diesjährige Berlinale kam auf eine Frauenquote von 41 Prozent im Wettbewerb. Im nächsten Jahr, so wurde bekannt gegeben, strebe man gar ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis an.
Programmatisch versteht sich das Visionär Filmfestival als Plattform zur Förderung junger Filmemacher. Im Wettbewerb der Langfilme werden Werke gezeigt, die bereits auf dem ein oder anderen Festival zu sehen waren, aber noch nicht in Deutschland. Francesca Vantaggiato sagt: „Besonders für Filmemacher, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, ist es schwer, Aufmerksamkeit zu bekommen.“ Genau die möchte sie mit ihrem Festival erzeugen. Es wird einen Preis der Jury geben, aber auch einen Publikumspreis.
Diversität ist Trumpf
Auch inhaltlich ist bei den gezeigten Filmen Diversität Trumpf. Vom klassischen Spielfilm bis zur Dokumentation ist alles dabei, quere Stoffe sowieso. Wie etwa in dem Dokumentarfilm „Cassandro, the Exotico!“ von Marie Losier aus Frankreich. Der Film porträtiert Cassandro, einen queeren Gender-Bender-Wrestler, der es im mexikanischen Macho-Showsport „Lucha libre“ zum gefeierten Star gebracht hat. Obwohl er aussieht wie eine Dragqueen und vor dem Kampf mehr Zeit für die Haare braucht als für das Aufwärmen.
Außerdem gibt es bei Visionär ein Kurzfilmprogramm, ebenfalls mit Wettbewerb. Hier werden vor allem Filme von meist noch relativ unbekannten Berliner Filmemachern gezeigt. Zudem gibt es eine Hommage an Bruce La Bruce, die kanadische Ikone des undergroundigen queeren Films. Und für eine extra Portion Glamour ist auch gesorgt. Der außer Konkurrenz gezeigte italienische Film „La Lucina“ wird von niemand Geringerem ankündigt werden, als von der großen Schauspielerdiva Hanna Schygulla.
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