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„Befehl und Gehorsam“

Alfred Gottwaldt spricht über Juden-Deportationen

Alfred Gottwaldt, 60

■ Der Historiker ist Oberkustos am Deutschen Technikmuseum Berlin und forscht zu Deportationen im Nationalsozialismus Foto: Privat

taz: Herr Gottwaldt, welchen Beitrag leistete die Bahn zum Holocaust?

Alfred Gottwaldt: Zum systematischen Judenmord gehört eine Verschleppung der Opfer von ihrem Heimatort. Dazu war die Eisenbahn erforderlich. Zentral ist dabei der massenhafte Transport von Menschen und die staatliche Verfügung zur Deportation.

Zu welchem Schluss kommen Sie in Ihren Untersuchungen?

Die Beteiligung der Bahn am Judenmord war alltäglich. Die Frage ist doch, ob ein Logistiker eine Moral haben darf? Und was passiert im Fall des Widerstandes? Die Bahn funktionierte nach Befehl und Gehorsam, wie ein militärischer Apparat. Heute, unter den Vorzeichen von Privatisierung, ist das sicher anders.

Aber es gab auch Widerstand bei den Eisenbahnern.

Sicher, aber der ist ein individuelles Phänomen, wo sich Leute etwa wegen ihrer christlichen Erziehung anders verhalten haben.

Was ist mit Daniel Goldhagens These, dass es beim Völkermord nicht auf die technischen Möglichkeiten, sondern auf den Willen ankomme?

Ich würde den Gegensatz zwischen dem Willen und der Technik so nicht stehen lassen. Technische Möglichkeiten bestimmen das weitere Handeln. Außerdem gibt es räumliche Unterschiede: In Westeuropa waren bestimmte Formen des Völkermordes deshalb nicht möglich, weil es zu viele Menschen mitbekommen hätten.INTERVIEW: LENA KAISER

Vortrag 19 Uhr, Plattenhaus Poppenbüttel, Kritenbarg 8

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