: Dreckig, ungeschliffen und unperfekt
Die Berliner Band 1000 Gram ist gesamteuropäisch aufgestellt. Im Monarch präsentiert sie ihr viertes Album „By All Dreams Necessary“
Von Jens Uthoff
Die Hinweise, die die Band 1000 Gram dem Hörer zu Beginn ihres aktuellen Albums mit auf den Weg gibt, sind für den popaffinen Menschen einigermaßen eindeutig: „Daydream“ heißt das erste Stück, das mit einem treibenden Basslauf losgeht, auf halber Strecke eine klimpernde und schreddernde Gitarre einsammelt, ehe es sich langsam Richtung Refrain steigert. Der Titel, die Gitarren, der Sound – eine klare Referenz zu Sonic Youth, deren 1988er-Meisterwerk den Namen „Daydream Nation“ trägt.
Damit wäre man schon mal auf der richtigen Fährte, denn das im vergangenen Jahr erschienene 1000-Gram-Album „By All Dreams Necessary“ referiert hörbar auf die prägende Indie-Ära der achtziger Jahre. Bands wie Buffalo Tom, The Lemonheads oder My Bloody Valentine kämen einem da des Weiteren in den Sinn, auch eine kleine Kante 90er-Emocore (The Promise Ring & Co.) klingt durch. Gemein hatten diese beiden Pop-Entwürfe, dass die oft melancholisch-lärmendem Gitarren damals noch dreckig, ungeschliffen und unperfekt klingen durften, es sogar sollten, während das, was später „Indie“ genannt wurde, immer glattgebügelter daherkam. Vielleicht geben 1000 Gram deshalb auf ihrer Facebook-Seite als Genre „Anti-Indie“ an.
„By All Dreams Necessary“ ist bereits das vierte Album der Gruppe, erschienen ist es auf dem geschmackssicheren Staatsakt-Label – und am heutigen Samstag stellt die Band es im Monarch vor. Gegründet 2008, haben 1000 Gram zuvor bereits drei unbeachtete Alben veröffentlicht. Personell sind sie gesamteuropäisch aufgestellt: Sänger und Gitarrist Moritz Lieberkühn stammt aus Berlin, lebt heute auch wieder hier, war aber zeitweilig auch in Göteborg zu Hause; neben ihm sind der Finne Arne Braun, der Schwede Alexander Simm, der Ösi Paul Santner und der Deutsche Lukas Akintaya an Bord. Eine zeitgemäße Berliner Mischung.
Der Bandname, bei dem nur scheinbar ein zweites ‚m‘ fehlt, hat mit Sänger Lieberkühn und dessen ehemaliger schwedischer Zweitheimat zu tun. Gemeint ist bei „1000 Gram“ tatsächlich die Gewichtseinheit, nur eben auf schwedisch („Tusen Gram“). Die komplizierten Umstände seiner eigenen Geburt sind der Grund, warum er seine Band so nannte: Nur 1.000 Gramm wog er, als er zur Welt kam, die ersten Monate überlebte er im Brutkasten.
Dass 1000 Gram mit geballter Gitarrenpower – drei an der Zahl – unterwegs sind, zahlt sich aus. Die überwiegend extrem melodischen Stücke können dank verschiedener Ton- und Anschlagsarten in unterschiedliche Richtungen ausfransen; eine Gitarre kann unverhofft aufheulen, eine weitere im nächsten Moment ruhig und clean daherkommen. Der Gesang dazu ist meist melancholisch und getragen, manchmal nölig-geschrien. Dazu kommt ein nuanciertes Schlagzeug – fertig ist die Anti-Indie-Laube!
1000 Gram: „By All Dreams Necessary“ (Staatsakt/Caroline) live: 9. 3., 20 Uhr, Monarch
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