: Die Reise zur Bio-Baumwolle
Nachhaltigkeit als Innovationsquelle: Darum ging es bei einem Forum „Paradigmenwechsel in der Mode- und Textilbranche“ in Berlin
Selbst die Vogue macht sie zum Thema: Die Frage der Nachhaltigkeit in der Mode. Heute erscheint die sogenannte grüne Ausgabe des Life-Style-Magazins, die gleich mal neu in eine recycelbare Folie verpackt ist. „Mode ist nach der Erdölindustrie der zweitgrößte Umweltverschmutzer der Welt“, so Christiane Arp, Chefredakteurin der Zeitschrift, und sieht den „Druck nach Veränderungen des Systems immer drängender und 2019 zum Hoffnungsjahr werden, für echte Nachhaltigkeit, echte Menschlichkeit, echten Umweltschutz, echte Transparenz“.
Man könnte meinen, sie wäre eine der Sprecher*innen auf dem Forum „Paradigmenwechsel in der Mode- und Textilbranche. Nachhaltigkeit als Wertetreiber“ am vergangenen Mittwoch in Berlin gewesen. Dazu hatten sich die Hessnatur Stiftung, das Bezirksamt Treptow-Köpenick und die Stiftung Reinbeckhallen zusammengefunden, um die politischen und ökonomischen Möglichkeiten zu sondieren, die Transparenz etwa der Handelswege und der Wertschöpfungsketten durchzusetzen, Ressourcen schonende Kreisläufe genauso wie faire Arbeitsbedingungen sicherzustellen, etwa mithilfe neuer Designstrategien.
Der Tagungsort, die Reinbeckhallen, liegen im Stadtteil Oberschöneweide, der selbst noch zu DDR-Zeiten eines der bedeutendsten städtischen Fabrikquartiere Deutschlands war. Nach dessen Niedergang infolge der Wiedervereinigung siedelte in den 2000er Jahren die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) auf das ehemaligen AEG-Gelände des Kabelwerks Oberspree um, zunächst mit ihrem Fachbereich Gestaltung. Heute ist Oberschöneweide der Standort schlechthin der Berliner Kreativwirtschaft. Entsprechend wünscht sich die Hochschule genauso wie das Regionalmanagement des Senats, wie Nicole Ludwig, Sprecherin für Wirtschaft bei Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus, und wie Magdalena Schaffrin, Gründerin der Modemesse Greenshowroom, heute Neonyt, hier einen europaweit ausstrahlenden Green Fashion Hub.
Da die Innovation beim Prozess der Transformation zu Nachhaltigkeit vor allem aus der Lieferkette kommt, ist ein solcher Hub für Berlin existenziell, konnte man Nicole Ludwig verstehen. Denn genau diese industrielle und logistische Vorstufe fehlt in der Hauptstadt. Zentral sind hier Ausbildung und Forschung im Bereich Design. Tatsächlich kamen dann mit die interessantesten Forums-Beiträge aus dem Bereich der Vorstufe. Peter Bartsch, promoviert in Faserchemie, Leiter der Corporate Sustainability bei der Lenzing AG, einem österreichischen Viskoseproduzenten, konnte eindrücklich aufzeigen, was Transparenz, Zertifizierung und Berichtspflichten zu bewegen vermögen. In der Praxis erkennt er in der Frage der Nachhaltigkeit einen bedeutenden Innovationstreiber.
Um die Transparenz der Lieferkette erfahrbar zu machen organisiert Ralf Heilmann, Geschäftsführer der Dibella GmbH, Unternehmerreisen nach Indien. Dibella produziert zertifizierte Objektwäsche aus Baumwolle, wie Handtücher, Bett- und Tischwäsche. Die Kunden sind Betreiber von Großwäschereien, die im Rahmen von Textilservice Dibella-Wäsche an Hotels, Krankenhäuser und Gewerbe verleihen. Beim Kleinbauern angefangen, der die Bio-Saat so ausbringt, dass die Vegetationszeit in die Regenzeit fällt, und der seine Kinder in die Schule schickt, über die Kooperative, die die Baumwolle zu fairen Preisen abnimmt, die Spinnerei und die Weberei, die den gesetzlichen Arbeitsschutz einhalten und vor allem die Färberei, die auf schädliche Chemikalien verzichtet und das Wasser wiederaufbereitet, werden alle Stationen auf der Reise durchlaufen. Dass die Reisenden zum Schluss ein Stück Regenwald wieder aufforsten, um die CO2-Last des Fluges zu kompensieren, wundert einen schon nicht mehr. Brigitte Werneburg
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