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Vogelvirus UsutuAmselsterben ist amtlich

Der heiße Sommer hat zum bislang größten Ausbruch des Usutu-Virus in Deutschland geführt. Der Nabu rechnet mit weiteren Fällen ab April.

Immer mehr Amseln fallen dem Usutu-Virus zum Opfer Foto: dpa

Berlin taz | So viele Amseln wie noch nie sind im vergangenen Jahr in Deutschland am Usutu-Virus gestorben. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor. Demnach wurden bis November 2018 vom Friedrich-Loeffler-Institut (Insel Riem) und dem Friedrich-Nocht-Institut für Tropenmedizin (Hamburg) insgesamt 750 tote Amseln positiv auf den Usutu-Virus getestet. Damit bestätigen die beiden Institute Beobachtungen des Nabu.

Der Naturschutzbund Deutschland hatte im vergangenen Jahr dazu aufgefordert, Funde toter Amseln zu melden und dazu ein Formular auf seiner Website bereit gestellt. Im Laufe des Jahres seien rund 20.000 tote Tiere gemeldet worden, sagt Lars Lachmann, Vogelexperte des Nabu. Vor allem der Nord-Westen sowie das Rhein-Mein-Gebiet waren betroffen, so Lachmann.

Warum ausgerechnet Amseln dem aus Afrika stammenden und durch Stechmücken übertragenen Virus zum Opfer fallen, ist bislang unklar. Klar hingegen ist: Der Virus dezimiert die Bestände der Amseln nachhaltig. Laut einer statistischen Erhebung verschiedener Forschungsinstitute haben die Amselpopulationen in den vom Virus betroffenen Gebieten von 2011 bis 2016 im Durchschnitt um 16 Prozent stärker abgenommen als im Rest Deutschlands.

Als „ursächlich für die starke Verbreitung des Virus“ sieht die Bundesregierung den überdurchschnittlich warmen Sommer mit seinen langen Hitzeperioden. Dies zeige die Klimakrise auch im Kleinen, kommentiert Steffi Lemke, naturschutzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. „Die Bedingungen für heimisch Arten verschlechtern sich.“

Die Epidemie zeige die Klimakrise auch im Kleinen, sagt die Grünen-Politikerin Steffi Lemke

Wegen der höheren Temperaturen ab April rechnet Lachmann mit einem erneuten Ausbruch des Virus in Deutschland, vor allem in Sachsen-Anhalt und Thüringen, wo gegen Ende des vergangenen Sommers die ersten Fälle aufgetreten seien. Gegen den Usutu-Virus selbst könne man nichts machen, sagt Nabu-Experte Lachmann, aber man könne der Amsel so gute Lebensbedingungen schaffen, dass die Populationen trotz des Virus überleben können. „In ungespritzten, nicht vertikutierten Rasenflächen, feuchten Komposthaufen, Blumen- und Gemüsebeeten leben viele Regenwürmer, die sind ein Schlaraffenland für Amseln“, sagt Lachmann.

Für das Vogel- und Insektensterben sei maßgeblich die industrielle Landwirtschaft verantwortlich, kritisiert Lemke. „Um Vögel und Bienen insgesamt zu schützen, brauchen wir dringend eine Agrarwende.“

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7 Kommentare

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  • Hier muss auch eine im Hinblick auf Artenvielfalt 'aggressive' Stadt- und Freiraumplanung kritisiert werden.

    Selbst bei verbreiteten Vogel- oder Fledermausarten wie Amseln und Haussperlingen kann heute nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Verlust von Lebensstätten im Lebensbereich von Menschen durch andere Lebensstätten ausgeglichen werden kann, weil zurzeit durch Modernisierungsmaßnahmen und flächendeckende Verdichtung immer mehr dieser Lebensstätten (in Gebäudehohlräumen oder in Strauchzonen) unwiederbringlich verschwinden.

    Soll der Schutz der Lebens- und Zufluchtsstätten (nach Bundesnaturschutzgesetz §44) effektiv sein, muss die Koalition den ganzjährigen gesetzlichen Lebensstättenschutz in die Berliner Bauordnung, Bauleitplanung und das Grünanlagengesetzes integrieren und den Vollzug stärken.

    In gedämmten Häusern mit glatten Fassaden ohne Hohlräume und in Grünflächen ohne dichte Gehölze finden Vögel keine Brutplätze mehr, keine Rückzugsräume, keine Zufluchtsstätten. In durchsichtigen Sträuchern können Amseln kein Nest bauen und Hausperlinge keine Deckung finden.

    Das Verbot der Zerstörung solcher Lebensräume, auch bei Amseln, kann nur umgangen werden, wenn für die zerstörten Fortpflanzungs-und Ruhestätten neue geschaffen werden.

    Was aber in der Regel nicht passiert, weil artenschutzrechtliche Belange der Eigenverantwortung unterliegen und zudem der Vollzug vollkommen dereguliert ist.

  • Das nun in den meisten Ländern beobachtete "Amselsterben" betrifft wohl auch andere Vertreter der Drosseln - jedenfalls sind die nach Einwanderung in den sechziger Jahren weit verbreiteten Wacholderdrosseln, aber auch Singdrossel, Misteldrossel etc. stark zurückgegangen - ohne daß man dies mit dem Einsatz von Bioziden in der Landwirtschaft in Verbindung bringen konnte. Evtl. sind von dem Virus auch andere Vogelfamilien (Star) betroffen. Und: nicht jede Veränderung muß auf den Klimawandel zurückgeführt werden...

  • Die Amseln sind ein Bestandteil des Mosaiks Natur. Soweit - so gut. Aber in den Gärten weine ich denen keine Träne nach. Denn dort richten sie große Schäden an. Nicht nur an allen möglichen Früchten -sondern auch durch den Verzehr von nützlichen Insekten und anderen Kleintieren. Insbesondere Regenwürmer sind betroffen. Dass die Amseln auf der Jagd nach diesen die oberen Erdschichten umgraben und kleine Nutzpflanzen und Samen zerstören ist der kleinste Teil des angerichteten Schadens.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @fvaderno:

      ...äh? Wie bitte, Amseln fressen Insekten und andere Kleintiere?



      Soweit ich informiert bin, fressen die meisten Vögel Insekten und manche auch andere Kleintiere.



      Und Sie sprechen von "Schaden", durch Amseln?!



      In was für einer 'antiseptischen' Umgebung leben Sie denn?

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @fvaderno:

      Es lässt sich schwer ermessen, wie groß der Schaden erst sein wird, wenn das Ökosystem kollabiert.



      Die Einteilung von Flora und Fauna in nützlich und schädlich ist selber schädlich und hat als Erklärungsmodell ausgedient.



      Ich freue mich über jedes Tier.

    • @fvaderno:

      Amseln werden es niemals schaffen Insekten und Würmer im Garten so zu dezimieren dass es einen großen Effekt auf ihren Garten hätte.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Jetzt hat der Zugvogel Amsel ein echtes Multi-Kulti-Problem: Sie fliegt nicht mehr hin und her und wird jetzt aus zweiten Heimat Afrika „besucht“ - mit tötlichem Ausgang. Gute Lebensbedingungen machen stark - passen aber nicht zum aktuellen vorstädtischen Gartengeschmack. Alle, die unbedingt „auf‘s Land“ wollten verzieren ihre Gärten jetzt mit Schotterabraumhalden oder Golfrasenflächen. Nix für Vögel.