IN DER HASENHEIDE: Bier mit Zitrone
Obwohl wir beide immer zu spät kommen, synchronisieren wir uns manchmal ganz gut. Fast punktgenau trafen wir beim Haupteingang der Hasenheide aufeinander. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort redeten wir, was den Vorteil hatte, dass man nicht von den Dealern angesprochen wurde. Wahrscheinlich könnte ich potenzielle Kunden besser von Leuten unterscheiden, die genervt sind, wenn man sie anspricht. Vielleicht aber auch nicht.
Dann saßen wir auf einer Decke in der Sonne. Im Rücken waren Bäume, rechts von uns spielten 23 Exjugoslawen Boule. Wir guckten die Leute an und dachten uns Geschichten aus; der behütete kleine Junge, der von seinem jungen Vater an den Händen gehalten wurde, damit er beim Laufen nicht umfällt, würde sicher in der Oberklasse landen, zuvor aber von dem anderen kleinen Jungen, der das Laufen allein lernte und später in der Unterklasse landen würde, verhauen werden.
G. hatte Zitronen, Salz und zwei Gläser mitgebracht; ich hatte zwei Bier dabei. Sie presste den Saft der Zitronen in die Gläser, goss das Bier hinein und tat Salz auf den Rand der Biergläser. Mit Salz und Zitrone schmeckte das bayerische Bier besser als das Budweiser, mein Lieblingsbier, über das ich mich in letzter Zeit oft geärgert hatte, weil es seit einigen Wochen bei Kaiser’s und Getränke Hoffmann 10 Cent mehr kostet. Die Salzkruste sah super aus und schmeckte gut. In diesem Jahr hatte ich ganz vergessen, einmal in der Sonne Bier zu trinken. Ich machte die Augen zu und stellte mir vor, grad im Meer gewesen zu sein und besser auszusehen. Vor 13 Jahren war ich schon einmal im Meer gewesen, und es hatte mir sehr gut gefallen. Irgendwann in meinem Leben, so mein Plan, würde ich noch einmal im Meer baden und Bier mit Salz und Zitrone trinken, und in der Hitze würde ich Ananas mit Salz und Chili essen.
DETLEF KUHLBRODT
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