ZWISCHEN DEN RILLEN
: Liebes Grundeinkommen

Bernadette La Hengst: „Integrier mich, Baby“ (Trikont/Indigo)

Bernadette La Hengst liebt die kleinen und die großen Gesten: Auf dem Cover ihres vierten Albums, „Integrier mich, Baby“, breitet eine La-Hengst-Tonfigur die Arme aus. Der Kopf mit der blonden Topffrisur ist fotorealistisch blass, der Torso europafahnenblau, mit Sternenkreis auf dem Bauch, Füße und Hände scheinen einer schwarzen Person zu gehören.

Europa und Afrika, das Ich und das Andere, drinnen und draußen: Drunter macht es die Elektrochanteuse mit musikalischer Sozialisation in Hamburg nicht. „Bist du im Politischen auch privat?“ – diese Frage aus dem Auftaktsong „Deine eigene Art“ ist so etwas wie die Quintessenz ihres künstlerischen Programms. Im Privaten politisch, im Politischen privat und fast immer tanzbar: Auch auf „Integrier mich, Baby“ verhandelt La Hengst Themen wie prekäre Lebensverhältnisse, Einwanderungspolitik, Geschlechteridentität auf sehr persönliche Weise.

Die Eindeutigkeit, das Fehlen jeder Ironie. Schon seit ihren ersten Auftritten mit der Band Die Braut haut ins Auge ist Hengst so etwas wie die Claudia Roth der Hamburger Schule. Authentisch, inhaltlich integer, aber auch irgendwie uncool. Während sich Kollegen wie Rocko Schamoni einen Mantel aus ironischem Style zulegten, blieb La Hengst unverhüllt. Auch auf „Integrier mich, Baby“ offenbart sie ihre kindlichen Sehnsüchte – „Ich bau ein Haus mir mitten in den Ozean / Geländerlos und länderfrei“ – und erotischen Fantasien und pappt ihre individuelle Gefühlswelt mit zuckrigen Slogans an die politischen Verhältnisse: „Gib mir alles, warum hast du vor mir Angst / Denn nur zusammen sind wir ganz / Integrier mich, Baby und gib mir alles von dir. Und dann / integrier ich dich, Baby / Und lass dich in mein Leben“.

Zur akustischen Gitarre gesungen, wäre das furchtbar. Aber, und darin ist La Hengst sehr Hamburger Schule – mit klarer Frauenstimme zu knackigen Elektrobeats, mit den Bläsern der Schweizer Band Die Aeronauten und viel Schalala kommt die Botschaft so nach Hause, dass man dazu tanzen möchte. Die Frauenhymne „Ich bin drüber weg“ ist so ein Song, der Glamour und postfeministische Thesen zusammenbringt. Für andere Stücke des Albums bedient sich La Hegst bei Disco, Cumbia und Chanson.

Einer der Glanzpunkte ist das Duett „Grundeinkommen Liebe“ mit Rocko Schamoni: „Ich bin frei und unvoreingenommen / gib mir bedingungsloses Grundeinkommen / In Liebe heute Nacht / Komm, komm, Grundeinkommen, komm, komm, bedingungsloses“. Mit solcher Burt-Bacharach-Schwüle macht sogar dieser Politdauerbrenner Spaß.

Nicht immer klappt allerdings die Balance zwischen Politik und Befindlichkeit. Das Gender-Gesinnungsstück „Rolling Role Models“ oder das kieksige Mädchenduett „C’est l’amitié“ mit der Französin Nathalie Sturlèse machen deutlich, woran es Hengst fehlt: an der Lässigkeit. Sie besitzt weder die Hamburger Coolness von Stella-Sängerin Elena Lange noch das Berliner Szenepflanzencharisma einer Christiane Rösinger.

Die inzwischen in Berlin ansässige Hengst will das alles zugleich sein, plus Kevin Blechdom, PeterLicht und Rio Reiser. Und wirkt dadurch oft etwas verkrampft. Am besten ist La Hengst immer dann, wenn sie die große Politik mal weglässt, wie beim dubbigen Liebeskummerstück „Verhangen“, oder ihrem Gespür für poetische Textzeilen wie dieser vertraut: „Wir sind alle nur Material / auf unserem langen Weg ins All / Und wir fließen bald davon / Im großen Menschwerdungskanal.“ Klingt super und wäre Claudia Roth nie eingefallen. NINA APIN

■ Morgen drucken wir ein Interview mit der Künstlerin