heute in bremen: „Es geht um patriarchale Unterordnung“
Andreas Kemper, 55, Soziologe und Publizist, veröffentlichte u.a. zur Ideologie der Männerrechtsbewegung und zum
von Konservatismus und Faschismus.Interview Benjamin Moldenhauer
taz: Herr Kemper, spielen fundamentalistische Christen und Evangelikale eine signifikante Rolle in der Deutschen Rechten?
Andreas Kemper: Ja, nicht nur in Deutschland. Selbst im Vatikan wird vor der „Ökumene des Hasses“ gewarnt. Ende März findet in Verona (Nord-Italien) der antifeministische und homophobe „World Congress of Families“ statt. Der italienische Innenminister, der Bildungs- und der Familienminister unterstützen das, ebenso die ungarische Familienministerin, der polnische Botschafter, der Ministerpräsident von Moldawien und andere. Dort treffen sich RechtskatholikInnen, Evangelikale, Vertreter der orthodoxen Kirchen. Aus Deutschland wird Gloria von Thurn und Taxis teilnehmen, die sich bereits mit dem ehemaligen Trump-Wahlkampfchef Steve Bannon getroffen hat. Bannon baut in Italien einen Think Tank für die Europäische Rechte auf. In Deutschland sind Evangelikale und rechtskatholische ChristInnen unter anderem bei den „Christen in der AfD“ organisiert. In der AfD spielt Beatrix von Storch eine wichtige Rolle, die auch die Plattform „Demo für alle“ mit aufgebaut hat.
Wo liegen denn die Überschneidungen zischen fundamentalistischem Christentum und rechtem Denken?
Beide arbeiten mit der Anti-Political-Correctness-Strategie: Sie klagen eine vermeintliche „politische Korrektheit“ an und würden gerne das demokratisch-politische aus den Korrektheitsforderungen streichen. Es soll nicht demokratisch mit Rücksicht auf diskriminierte Minderheiten ausgehandelt werden, was korrekt ist, sondern das vermeintliche Naturrecht im Sinne von „Gott und Vaterland“ soll der Maßstab werden: Naturrecht statt Menschenrecht. Was das Naturrecht sei, bestimmen dann selbsternannte Vertreter von Volks- oder Kirchengemeinden. Es geht um autoritäre, patriarchale Unterordnung. Im Internet-Wiki „Diskursatlas Feminismus“ sprechen wir von gemeinsamen Diskurskoalitionen. Etwas verkürzt könnte man von Sprachbündnissen sprechen.
AfD und neue Rechte aus dem Sumpf konservativer Christen? - Vortrag und Diskussion mit Andreas Kemper, 19 Uhr, Paradox, Bernharstr.12
Gibt es Punkte, an denen die Rechte und Christen sich partout nicht verstehen?
Einigen Evangelikalen geht die faschistische Agenda des Höcke-Flügels in der AfD zu weit. Beispielsweise haben einige VertreterInnen der evangelischen Sektion der „Christen in der AfD“ mit Frauke Petry zusammen die Partei verlassen und die „Blaue Partei“ aufgebaut. Während der Höcke-Flügel beziehungsweise die NPD kulturidentische Großräume wollen, möchten Evangelikale weltweit missionieren. In der Frage von Eugenik und „lebenswertem Leben“ wird es auch Unterschiede geben.
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