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3-D-Druck im Musikzimmer

Nach seiner gelungenen Sanierung und maßvollen Erweiterung eröffnet das Haus am Waldsee wieder. Den Auftakt macht die Konzeptkünstlerin und Bildhauerin Karin Sander mit sogenannten Gebauchsbildern

Karin Sander, Gebrauchsbild 106, Baustelle Einfamilienhaus, Hägenschwil, 2008–2010, Leinen auf Keilrahmen in Standardgröße, weiße Universalgrundierung, 60 x 80 cm Foto: Haus am Waldsee

Von Sabine Weier

Weiß grundierte Leinwände hängen am Haus am Waldsee: Hochformate, Querformate und Quadrate sind über die gesamte Fassade verteilt. Anachronistisch wirkt der Kommentar der Bildhauerin Karin Sander auf eine Kunst, welche die Leinwand doch schon im vergangenen Jahrhundert verlassen hat. Doch zu dem Ort, auf den Sander hier Bezug nimmt, passt dieser Anachronismus. Erbaut wurde die ehemalige Industriel­lenvilla 1922/23 im vormodernen englischen Landhausstil in Zehlendorf für die Textilfabrikanten-Familie Knobloch. Die verkaufte sie allerdings kurze Zeit später und emigrierte Anfang der 1930er Jahre nach Südamerika. 1946 eröffnete die Villa dann als Ausstellungshaus in dem Kunst gezeigt wurde, die sich von den Zwängen ihrer Konventionen befreit hatte. Die von den Nazis verfemte Avantgarde zog ein. Als Erstes präsentierte das Haus Plastiken von Käthe Kollwitz neben Arbeiten von Ewald Vetter. Nun also wurde der denkmalgeschützte Bau eineinhalb Jahre lang behutsam saniert, mit Sanders Einzelausstellung „ –Z“ eröffnet er wieder.

Die Konzeptkünstlerin lässt sich stets von dem leiten, was sie vorfindet. Der Ort steht in dieser Schau besonders im Vordergrund. Die frisch sanierten Räume sind gähnend leer, nur kleine Bildtitel sind an den Wänden zu lesen: „Speisezimmer/Dining Room“, „Musikzimmer/Music Room“, „Herrenzimmer/Men’s Salon“ etc. nebst Jahreszahl und den Maßen der Leinwand draußen, zu welcher der jeweilige Titel gehört. So beginnt das Kino im Kopf: Welche Geschichten haben sich in diesen von verschiedenen Familien bewohnten Räumen wohl abgespielt? Während sich die Räume kraft der Vorstellung der BetrachterInnen mit Leben füllen, bemalt draußen die Witterung die Leinwände. „Gebrauchsbilder“ nennt Sander sie. Schon in den vergangenen Jahren hat sie leere Leinwände je für eine Zeit im öffentlichen Raum platziert. Später hängen sie samt ihrer Titel in anderen Ausstellungen. Dass sie dann nicht ohne Weiteres dechiffrierbar sind, ist bei Sander Programm.

Doch das ist nur ein Aspekt der Arbeit. Sander findet, die in die Architektur eingelassenen Leinwände wirkten wie Leerstellen, wie fehlende Pixel in einem digitalen Bild. Sie interessiert sich für die im Verborgenen agierenden Zeichensysteme der digitalen Kultur, für die Übersetzung von Bildern und Körpern in Daten. Wie bei ihren „3D Bodyscans“, für die Personen posieren und dann als Skulpturen gedruckt werden. Für ihre „Quellcodes“ füllt sie Museumsräume mit den Buchstaben- und Zahlenketten, die deren computergeneriertes Architekturmodell beschreiben. Das einzige in der Ausstellung gezeigte Objekt ist ein aus Google-Earth-Daten generiertes und 3-D-gedrucktes Modell des Hauses mit Skulpturengarten und See, platziert inmitten des ehemaligen Musikzimmers. Ein Landschaftsmotiv also außerhalb der Leinwand, die es tradierte, steht für die Erweiterung der Perspektive in der digitalen Kultur des Datenkapitalismus hin zum radikalen panoptischen Blick.

So beginnt das Kino im Kopf: Was hat sich in diesen Räumen wohl abgespielt?

Seit 2005 macht die Leiterin des Haus Am Waldsee, Katja Blomberg, das Programm mit KünstlerInnen, die wie Sander international erfolgreich sind, aber einen Bezug zu Berlin haben. Nun will sie das Haus weiter öffnen. Im Herbst gastiert der Frankfurter Tobias Rehberger mit einer Einzelausstellung. Für einen neu gestalteten, in einem seitlichen Nachkriegsanbau untergebrachten Veranstaltungsraum hat er schon einen großflächigen Vorhang entworfen. Das Werk des britischen Bildhauers Lynn Chadwick, der schon 1960 hier ausstellte, tritt im Sommer in einen Dialog mit dem für seine Metallplastiken bekannt gewordenen Hans Uhlmann und Katja Strunz, die sich dreidimensional mit den verlorenen Utopien der Nachkriegszeit beschäftigt.

Zunächst wird es mit Ammar al-Beik ab März aber politisch. Der syrische Künstler kam 2014 über Beirut und Dubai nach Berlin. In seinen Filmen und Fotografien sucht er nach einer neuen syrischen Identität und thematisiert das Leben im Berliner Exil. Geplant ist eine Überblicksausstellung zu seinem Schaffen, wie sie bei der Konzeptkünstlerin Sander natürlich nicht hätte stattfinden können. Ihre Rückschau auf frühere Arbeiten hat sie in den Ausstellungskatalog verlegt. Dort sind sie nicht etwa chronologisch, sondern alphabetisch nach Titel geordnet. Einfach macht Sander es den BetrachterInnen auch in diesem Medium nicht, doch es ist etwas zu sehen.

Bis 3. März 2019, www.hausamwaldsee.de

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