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Energiewende selbst gemacht

NAHWÄRME Erst belächelt, jetzt geliebt: Die Energiegenossenschaft Lieberhausen verzichtet auf Öl und Gas und beheizt trotzdem ein ganzes Dorf – mit Holz

„Das Holz stammt zum Großteil von Baumteilen, die nicht verwertet wurden“

FÖRSTER BERND ROSENBAUER

AUS LIEBERHAUSEN ANDREAS WYPUTTA

Bernd Rosenbauers Stolz auf die Energiegenossenschaft Lieberhausen ist sofort zu spüren. Daten wie den 7. Dezember 1997 hat er noch im Kopf: An diesem Tag vor fast 15 Jahren hat Rosenbauer zum ersten Mal für die Genossenschaft geworben. Der 52-Jährige ist Förster im waldreichen Bergischen Land in der Nähe von Köln – und die Genossenschaft heute Besitzer eines mit Holz befeuerten Heizkraftwerks, das aktuell 88 der 104 Häuser des 340 Einwohner zählenden Dorfes mit Wärme versorgt.

„Die Idee für das Kraftwerk hatte Bernd“, erzählt Christina Reinhold, Wirtin des einzigen Gasthofs in Lieberhausen. Rosenbauer gibt das Lob sofort zurück: „Wahnsinnig wichtig“ sei die Überzeugungsarbeit gewesen, die Reinhold im Kommunikationszentrum des Dorfes geleistet habe. Denn als Ende der Neunzigerjahre fast alle Straßen im Dorf für eine neue Kanalisation aufgerissen wurden, dachten viele über den Einbau einer Gasheizung nach. Andere setzten auf Ölfeuerung. Und Genossen wollten die meisten erst recht nicht werden – die Region gilt als CDU-Hochburg.

Rosenbauer, Reinhold und ihre Mitstreiter warben dagegen für die kostengünstige Verlegung eines holzbefeuerten Nahwärmenetzes – schließlich waren die Baugruben schon da. „Das war Thekengespräch Nummer eins“, erinnert sich die Wirtin. „Einige haben das total belächelt.“ Doch die künftigen GenossInnen hatten die besseren Argumente: Die ans Holzheizkraftwerk angeschlossenen Anlagen arbeiten beinahe wartungsfrei, Kosten für den Schornsteinfeger oder die Überprüfung außen gelegener Öltanks fallen nicht mehr an. „Und der Umweltgedanke war auch da“, sagt Reinhold. „Schließlich heizen wir mit nachwachsenden Rohstoffen.“

Denn in Lieberhausen wird Material aus der Region verfeuert. „Das Holz stammt zum Großteil von Baumteilen, die bisher nicht verwertet wurden, etwa aus der Krone“, erklärt Rosenbauer. Zu Hackschnitzeln zerkleinert, trocknet der Naturstoff in einer eigens gebauten Halle. „Wir nutzen aber auch Holz, das an Straßen zurückgeschnitten wurde und sonst sinnlos verrottet.“ Pro Jahr wird so der Brennwert von rund 390.000 Tonnen Heizöl ersetzt und der Ausstoß von 1.200 Tonnen klimaschädlichen Kohlendioxids vermieden. Denn die Bäume haben bei ihrem Wachstum genau die Menge CO2 aufgenommen, die bei ihrer Verbrennung freigesetzt wird.

Doch angesichts immer weiter steigender Öl- und Gaspreise ist das Heizkraftwerk nicht nur für die Umwelt ein Gewinn, rechnet Rosenbauer vor: Im eigenen Haus spart der verheiratete Vater zweier Söhne rund 1.600 Euro jährlich. Im Gasthof der Reinholds beträgt die Einsparung sogar 8.000 Euro. Praktisch ist auch die angeschlossene Warmwasserversorgung: „Früher hatten wir immer Probleme, wenn morgens alle Gäste gleichzeitig duschen wollten“, sagt Wirt Uwe Reinhold. „Das ist jetzt vorbei.“

Rosenbauer denkt schon weiter, schließlich wird die 1,6 Millionen Euro teure Anlage, deren Bau vom Land NRW und der EU mit 500.000 Euro gefördert wurde, 2019 abbezahlt sein. Die Genossenschaft wolle künftig auch Strom erzeugen, sagt er – mit einem Blockheizkraftwerk. Es soll mit Methangas arbeiten, das aus verschweltem Holz gewonnen wird. Brennstoff sei genug vorhanden, versichert der Förster: „Derzeit wächst mehr Holz zu, als verbraucht werden kann.“

Bis zu 25 Prozent des ländlichen Raums könnten so mit Wärme versorgt werden, glaubt Rosenbauer. „Wichtig ist mir aber in erster Linie nicht die Technik, sondern die Genossenschaft“, sagt er. Für sinnvolle Projekte egal welcher Form seien Genossenschaften noch immer das beste Modell: „Allein hätte niemand von uns das Heizkraftwerk bauen können – und wer immer nur auf die große Politik schielt, kann lange warten.“

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