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Theaterdebatte in BremenIst das Theater zu verkopft?

Die Bremische Bürgerschaft hat über die Arbeit des Bremer Theaters debattiert – es war ein Streit mit Ansage.

Am Theater Bremen gibt's Nathan der Weise als intelligentes Vergnügen mit allen Körperteilen Foto: Knut Klaßen

Bremen taz | Eine große Befragung des Bremer Theaterpublikums findet in näherer Zukunft nicht statt. Darauf hat sich eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten am Dienstagabend in der Stadtbürgerschaft verständigt.

Auf den ersten Blick überrascht, wie emotional die Parlamentsdebatte geführt wurde. Denn es klang doch erst mal wie ein Hilfsdienst an die Kunst, den sich die CDU da ausgedacht hatte: Man wolle dem „Theater ein besseres Bild über sein Publikum verschaffen“, so der abgeschmetterte Antrag, das Ergebnis hätte eine „wesentliche Grundlage“ sein sollen für die „zukünftige Arbeit des Theaters“. Dagegen wäre wohl kaum etwas zu sagen, würde nicht der Vorwurf mitschwingen: dass das Theater schlechte Arbeit mache.

Es war ein Streit mit Ansage. Bereits im vergangenen Sommer hatte CDU-Kulturpolitiker Claas Rohmeyer eine große Senatsanfrage auf den Weg gebracht. Wie haben sich die Besucherzahlen entwickelt? Was sind es für Menschen, die da kommen? Und wer hat für seine Karten eigentlich den vollen Preis bezahlt? Nun ist es politisches Tagesgeschäft, Anfragen zu stellen, deren Antwort man bereits kennt – oder wo man doch wenigstens eine Ahnung von einem schwelenden Missstand hat.

Hier allerdings war die Antwort dann doch eine Bestätigung des Stadttheaters und seines Intendanten Michael Börgerding. Das 28-seitige Papier lautet kurz gesagt: Alles okay mit einer Tendenz zu richtig gut. Die Zuschauerzahlen sind über die vergangenen fünf Spielzeiten kontinuierlich gestiegen, von knapp 157.000 auf zuletzt rund 185.000. Höhere Besucherzahlen in der Vergangenheit ließen sich dadurch erklären, dass vor zehn Jahren noch die Seebühne und das Musicaltheater bespielt wurden. Das Ergebnis waren allerdings „rote Zahlen, wie wir sie sonst noch nie hatten“, sagte Arno Gottschalk (SPD) und attestiert dem Theater, es sei heute nicht nur auf einem guten, sondern „auch auf einem nachhaltigen Weg“.

Überschwänglich viel Lob

Auch Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) freut sich über die Zahlen, sieht die Aufgabe des Theater aber noch woanders: „Es geht um Räume, die der Kommerz nicht schafft“, so Emigholz, um moralische Fragen und eine Plattform der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Dafür brauche das Theater Freiheit und Möglichkeiten zum Experiment. Es sei Intendant Börgerding gelungen, „die besten und interessantesten Regisseure und Schauspieltalente nach Bremen zu holen“ – obwohl sie „woanders besser bezahlt werden“.

Überhaupt konnten sich Intendant Börgerding und Michael Helmbold als kaufmännischer Geschäftsführer des Theaters auf der Zuschauertribüne des Parlaments entspannt zurücklehnen: SPD, Grüne, Linke und FDP überboten sich mit Danksagungen.

Aber warum die Wut? Weil es der CDU und Claas Rohmeyer nur am Rande um diese Zahlen ging. Die Antwort auf die eigene Anfrage kam in Rohmeyers Beiträgen kaum vor, dafür zwischen den Zeilen das, was er vorab im Weser Kurier bemängelt hatte: eine „Verkopfung“ der Stücke durch die „deutlich intellektuellere Herangehensweise auch an das klassische Repertoire“.

CDU gegen „Verkopfung“

Auf Grundlage der abgefragten Zahlen ließ sich darüber nicht diskutieren. Miriam Strunge (Linke) nennt Rohmeyers Kritik, einen „harten Vorwurf ohne Beleg“. Auch andere Fraktionen kritisierten Rohmeyer, er würde ein vages Vorurteil ins Parlament tragen – auch mit dem Vorschlag einer Publikumsbefragung. Rohmeyer hoffe nach dem Ergebnis der Anfrage, vermutet Gottschalk, dass „bei einer Publikumsbefragung irgendetwas herauskommt, was Sie hochjazzen können“.

Rohmeyer verweist seinerseits auf das Oldenburgische Staatstheater, das eine großangelegte Befragung durchgeführt hat. Tatsächlich hat man sich hier dem Publikum ungewöhnlich weit geöffnet. Im Projekt „O. – Eine Stadt sucht ein Drama“ konnten die Oldenburger eine Inszenierung für die kommende Spielzeit wählen und auf einer eigens ausgerichteten Konferenz diskutieren. Ein Experiment, das gut läuft – angestoßen aus künstlerischen Überlegungen zur Öffnung.

Und was ist mit der Kunstfreiheit?

Sollte das Bremer Theater um Unterstützung für ähnliche Projekte bitten, könne man gerne darüber sprechen, sagt Nima Pirooznia von den Grünen. Aber nicht, weil „der Kollege Rohmeyer von außen Tipps und Tricks verrät, wie man ein modernes Theater führt“.

Pirooznia sieht die Freiheit der Kunst in Gefahr, wenn Politik sich in die Programme der Theater einmischt. Man habe die Rahmenbedingungen zu gestalten, nicht Inszenierungen und ihre Ausrichtung zu kritisieren.

Rohmeyer wehrte sich gleich zu Anfang gegen den Vorwurf: Für die Kunstfreiheit müsse man eintreten, sagte er, gerade wo die AfD es sich zur „Aufgabe macht, die Theater zunehmend unter Druck zu setzen und mit Anzeigen zu überziehen“. Es gehe ihm um die breite Bevölkerung, die mit dem aktuellen Programm zu wenig anfangen könnte, so Rohmeyer. Die Fronten, die er meint: „Ich würde mir wünschen, dass mehr als ein linksliberales Viertelpublikum vom Theater angesprochen wird.“

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