piwik no script img

Nach der großen Euphorie

Als 2015 Tausende Geflüchtete nach Hamburg kamen, gründeten sich viele Initiativen, um zu helfen. Doch was machen sie nun, da nur noch vergleichsweise wenige Hilfesuchende kommen? Drei Beispiele zeigen, dass sich Engagement in der Geflüchtetenhilfe immer noch lohnt

Angebot in drei Sprachen: Ein freiwilliger Helfer hält im September 2015 im Hamburger Hauptbahnhof ein Schild auf deutsch, englisch und arabisch, das hinweist auf Hilfe für Geflüchtete Foto: Bodo Marks/dpa

Von Juliane Preiß

„Der Bedarf an Unterstützung ist weiterhin enorm“

Manfred Ossenbeck, Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen

Tonnenweise Kleidungsstücke, dutzende Fahrräder liegen und stehen bereit, etliche Willkommenscafés und Treffpunkte haben ihre Türen geöffnet für Geflüchtete in Hamburg. Nur: Es kommen kaum noch neue. 369 waren es im Dezember vergangenen Jahres.

Anders 2015, damals suchten über 22.000 in der Stadt Zuflucht und Hamburg machte Schlagzeilen, als gefühlt die halbe Stadt ihre Kleiderschränke ausmistete und zu den Messehallen karrte, die vorübergehend als Ersteinrichtung für geflüchtete Menschen diente. In dieser Euphorie des Helfens haben sich Dutzende Initiativen gegründet. Doch was machen sie jetzt, da ihre Zielgruppe in Folgeunterkünfte gezogen ist, Jobs gefunden oder Hamburg schon wieder verlassen hat?

Der größte Teil arbeitet weiter, weiß Manfred Ossenbeck vom Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI), das im Juni 2016 von VertreterInnen von mehr als 90 Hamburger Ini­tiativen gegründet wurde. „Wir machen gerade eine Erhebung, um zu klären, wo die Initiativen mittlerweile stehen“, sagt Ossenbeck. Die Zahl der Ehrenamtlichen sei nicht genau zu beziffern. Zwar würden sich weniger als während der großen Euphorie 2015 engagieren, aber ein paar Tausend Menschen seien es noch immer. „Die Initiativen haben sich professionalisiert, eigene Räume angemietet, Webseiten erstellt, sich vernetzt“, so Ossenbeck.

Eine Studie der Universität Hamburg, die von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (Basfi) gefördert wurde, zeichnet ein anderes Bild. Untersucht wurde das ehrenamtliche Engagement von Nachbarschaftsinitiativen in sechs Flüchtlingsunterkünften im Bezirk Altona. Die AutorInnen der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass die Aktivitäten und Zahl der Ehrenamtlichen seit 2016 „stark zurückgegangen“ seien und auch die Nachfrage der UnterkunftsbewohnerInnen nach den Angeboten nachgelassen habe. „Dieses Ergebnis ist eher ernüchternd und entspricht nur teilweise unseren Erfahrungen“, sagt Ossenbeck.

Festzustellen sei jedoch, dass die Angebote weniger in den Unterkünften direkt stattfänden. Sie seien fast immer stadtteilbezogen. Und Berufsberatungen seien dazugekommen, sagt Ossenbeck. „Das war früher gar kein Thema.“ Auch die inhaltliche Ausrichtung des BHFI habe sich verändert. Als der Integrationsfonds abgeschafft wurde, hatten viele Initiativen Bedenken, dass sie ihre Projekte nicht mehr finanzieren können. Bei Fragen, wie man beispielsweise Mittel aus den Quartiersfonds beantragt, hilft die BHFI. „Unsere Aufgabe ist auch, Positionen für die Arbeit mit Geflüchteten zu erarbeiten und sie gegenüber der Politik zu vertreten“, ergänzt Ossenbeck. Themen seien unter anderem die horrenden Wohngebühren in den Unterkünften oder Qualitätskontrollen bei Sprachkursen. „Der Bedarf an Unterstützung ist weiterhin enorm.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen