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Präsidentenwahl im KongoStarker Name, schwacher Charakter

Félix Tshisekedi übernimmt das höchste Staatsamt. Er ist das genaue Gegenteil von seinem Vater, der den Widerstandsgeist verkörpert hat.

Lässt sich feiern: Kongos neuer Präsident Felix Tshisekedi Foto: reuters

Brüssel taz | Das größte Kapital, das der 55-jährige Félix Tshilombo Tshisekedi mitbringt, wenn er am Donnerstag als Präsident der Demokratischen Republik Kongo vereidigt wird, ist sein Name. Sein Vater Étienne Tshisekedi wa Malumba war bis zu seinem Tod 2017 der beliebteste Politiker des Kongo: Inkarnation des zivilen Widerstandes gegen die Diktatoren Mobutu Sese Seko und Laurent-Désiré Kabila und dann gegen das autoritäre Regime von Joseph Kabila, mit einer an Sturheit grenzenden Hartnäckigkeit und einem nicht zu leugnenden körperlichen Mut.

Alte Kongolesen erinnern sich an den Blut getränkten Verband um seinen Kopf, nachdem die Schläger Mobutus ihn 1982 mit den anderen Mitgliedern der „Gruppe der 13“ verprügelt hatten – die Gruppe von Dissidenten der damaligen Regierungspartei, die die Union für Demokratie und sozialen Fortschritt (UDPS) gründeten.

Félix, drittes von fünf Kindern Étiennes, war damals 19 Jahre alt und teilte das Schicksal seines Vaters, der von Mobutu mit Hausarrest in seinem Heimatdorf Mupompa in Kasai bestraft wurde, eine von der belgischen Kolonialherrschaft übernommene Repressionsmaßnahme. Es waren schwierige Zeiten für den Teenager, der in der Hauptstadt Kinshasa geboren und aufgewachsen war. Mit der gesamten Familie saß er in einem Haus ohne Wasser und Strom. 1984 ging er ins Exil nach Belgien.

Aber die Kampfkraft seines Vaters hat der Sohn nicht geerbt. Sein Sieg als Präsident ist nicht minder umstritten als die Niederlage seines Vaters gegen Kabila bei den Wahlen 2011, die von internationalen Beobachtern als „nicht glaubwürdig“ gewertet wurde.

Schweres Handicap

Diesmal sind so gut alle Beobachter davon überzeugt, dass nicht Félix Tshisekedi der Wahlsieger ist, sondern Martin Fayulu von der Oppositionskoalition Lamuka. Aber Wahlkommission und Oberstes Gericht haben sich für Tshi­sekedi entschieden. Er tritt sein Amt mit einem schweren Handicap an, das den Startvorteil seines illustren Namens mehr als zunichte machen könnte.

Der hochgewachsene und rundliche „Fatshi“, wie man ihn im Kongo nennt, hat nicht das Temperament seines Vaters, auch wenn er während seines belgischen Exils in den 1980er Jahren die Faust zur Regelung politischer Differenzen einzusetzen wusste.

Tshisekedis Unidiplom – Grundvoraussetzung für eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl – ist gefälscht

Auf einer vom Autor dieses Artikels besuchten Pressekonferenz brach er einem UDPS-Dissidenten mit einem gezielten Schlag die Nase. Im Laufe der Jahre gerierte er sich immer zurückhaltender – vor allem, seit er nach dem Tod seines Vaters am 1. Februar 2017 die Führung von dessen Partei übernahm und es darum ging, den Abgang Joseph Kabilas nach Ende der zweiten Amtszeit einzufordern.

Am 10. April 2017 rief Félix Tshisekedi zu Protesten in Kinshasa auf und reiste selbst lieber nach Addis Abeba. Am 30. November organisierte er wieder eine Demonstration – und saß solange zu Hause, bis die Polizei sein Haus eingekesselt hatte.

Flucht mit dem Auto

Vor einem Jahr nahm er an einer der katholischen Sonntagsmessen teil, bei denen die katholische Kirche die Gläubigen zum friedlichen Protest im Anschluss an den Gottesdienst aufrief. Als die Polizei die Notre-Dame-Kirche in Kinshasa besetzte, flüchtete er im Auto, statt mit den jungen Gläubigen zu marschieren und musste sich mit den Worten „Du hast uns im Stich gelassen“ beschimpfen lassen.

Lässt er seine Anhänger jetzt endgültig im Stich und wechselt auf die Seite eines ungeliebten alten Regimes? Auf jeden Fall zeigt sich bei Félix Tshisekedi eine Charakterschwäche, die mit der Schwächung seiner Partei einhergeht. War die UDPS ursprünglich die wichtigste Kraft der Demokratiebewegung, ist sie heute kaum mehr als eine Partei der Luba-Volksgruppe aus der Kasai-Region.

Die UDPS, die ihn im April 2018 zum Präsidentschaftskandidaten kürte, ist zerstritten und kennt keine innere Demokratie. Nach der Gründung im Untergrund 1982 konnte sie bis zur Abschaffung des Einparteiensystems 1990 nur im Verborgenen agieren.

Ihren ersten Parteitag hielt sie erst 2010 ab, um damals Étienne Tshisekedi zum Präsidentschaftskandidaten zu bestimmen und einen Personenkult um den Alten zu organisieren. Nach Étienne Tshisekedis Tod zogen es zwei Verantwortungsträger, Samy Badibanga und Bruno Tshibala, vor, Premierminister unter Kabila zu werden. Die Annäherung der UDPS an das Kabila-System hat nicht erst jetzt begonnen.

Mama Marthe

Seit dem Tod des Vaters ist die entscheidende Figur Félix Tshisekedis Mutter, Marthe Kasalu Tshisekedi, die alle „Mama Marthe“ nennen. Kritiker von Félix halten ihren Einfluss für so entscheidend, dass sie Félix Tshisekedi „Maman m’a dit“ nennen (Mama hat mir gesagt). Sie hat Parteikader kaltgestellt, die den Ambitionen des Sohns im Wege stehen. Die UDPS ist heute eine Familienpartei.

All das macht Félix Tshisekedis Amtsantritt nicht zu einem Bruch mit dem ebenfalls auf familiäre Bindungen gegründeten Kabila-System. Die Hardliner um Kabila haben ihn noch mit etwas anderem in der Hand: Sein Universitätsdiplom – Grundvoraussetzung für eine Präsidentschaftskandidatur – ist eine Fälschung.

Viele Kongolesen sind überzeugt, dass das Kabila-Lager sich deshalb für Tshisekedi entschied, nachdem klar war, dass Kabilas Wunschnachfolger Emmanuel Shadary die Wahl haushoch verloren hatte: Es macht ihn erpressbar.

Ohnehin gilt Félix Tshisekedi als flexibler und leichter zu beeinflussen als andere Oppositionelle im Kongo. Er scherte vor diesen Wahlen aus der gemeinsamen Oppositionsfront um Martin Fayulu aus, unter dem Vorwand, dass seine Basis dagegen sei, und akzeptierte die umstrittenen elektronischen Wahlmaschinen, die die Opposition ablehnte.

Heimliche Gespräche

Schon 2015 traf er sich zu heimlichen Gesprächen mit Kabila. Als am 22. November der neue Erzbischof von Kinshasa bei einer Zeremonie im Märtyrerstadion von Kinshasa in sein Amt eingeführt wurde, gab es Sprechchöre gegen Tshisekedi als „Verräter“.

Am 19. November 2017 erklärte Félix Tshisekedi der taz, er wolle die „Rückkehr der Diktatur“ im Kongo bekämpfen, die Joseph Kabila mit einigen „mafiösen Individuen“ verkörpere, und warnte: „All jene, die Verträge mit Kabila geschlossen haben – wenn sich die Dinge ändern, werden diese Verträge null und nichtig sein.“

Nachdem er am 10. Januar 2019 von Kongos Wahlkommission zum Wahlsieger ausgerufen worden war, erklärte Félix Tshisekedi: „Ich spreche Präsident Kabila meine Hochachtung aus. Heute müssen wir ihn nicht als Gegner, sondern als Partner im demokratischen Wandel begreifen.“ So schnell kann es gehen.

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