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Kroaten und Serben feiern sich in Bosnien

Serbische Nationalisten begehen in Banja Luka den Nationalfeiertag der serbischen Teilrepublik. Das löst Kontroversen aus. Auch Kroaten sind dabei

Extremisten der serbischen und kroatischen Seite arbeiten wieder eng zusammen

Von Erich Rathfelder, Split

Die Feierlichkeiten zum „Tag der Republika Srpska“ am 9. Januar in Banja Luka haben zu heftigen Kontroversen in Bosnien und Herzegowina sowie in Kroatien geführt. Nicht nur die Führungsspitze der serbischen Nationalisten feierten mit Tausenden Demonstranten auf dem mit serbischen Flaggen geschmückten zentralen Platz in Banja Luka. Es hatten sich auch der Vorsitzende der kroatischen Nationalistenpartei HDZ-BiH Dragan Čović und der kroatische Botschafter eingefunden. Dass die serbische Seite unter dem starken Mann Milorad Dodik die Feier zum 27. Jahrestag der Gründung der serbischen Republik in Bosnien und Herzegowina trotz eines Verbots des Verfassungsgerichts des Landes von 2015 ausrichtete, war keine Überraschung. Dodik wird nicht müde zu betonen, dass er die Entscheidung dieses gesamtstaatlichen Gerichts ablehnt.

Er schert sich nicht um die Wünsche des gemeinsamen Staats Bosnien und Herzegowina, in dem die Republika Srpska ein Teilstaat neben der bosniakisch-kroatischen Föderation ist. Und das, obwohl er im Oktober zum serbischen Repräsentanten im dreiköpfigen Staatspräsidium (je ein Serbe, ein Kroate und ein Bosniake) gewählt worden ist – dem höchsten Verfassungsorgan des Gesamtstaats. Für Dodik zählt nur der serbische Teilstaat, der nach seinen Wünschen, wenn es die Umstände erlauben, mit Serbien vereint werden soll.

Als am 9. Januar 1992 die Führungsspitze der bosnisch-serbischen Nationalisten drei Monate vor Kriegsbeginn die „Serbische Republik“ ausriefen, war genau dies ihr politisch-militärisches Ziel. Die Gründungsväter von damals sind, wie Radovan Karadžić, fast alle vom UN-Tribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag verurteilt worden. Denn die Gründung des damaligen Parastaats war der Auftakt für die verbrecherischen ethnischen Säuberungen: Aus dem von serbischen Truppen eroberten Gebieten wurden alle Nichtserben gewaltsam vertrieben, die dicht verwobene multinationale und -religiöse Gesellschaft zerschlagen.

Der Mord an Zehntausenden muslimischen und auch kroatischen Zivilisten, der Aufbau von Konzentrationslagern, die Massenvergewaltigungen – all das waren die Begleiterscheinungen dieser Politik. Der von der internationalen Staatengemeinschaft im Dayton-Vertrag von 1995 faktisch anerkannte Parastaat wurde zwar nicht selbstständig, aber als „Entität“ in die Nachkriegsordnung überführt.

Mit der Teilnahme des kroatischen Nationalistenführers Dragan Čović an den jüngsten Feierlichkeiten wurde noch eine Konstellation des Kriegs deutlich. Mit ihrem Angriff auf die Regierungstruppen 1993 kopierten die kroatischen nationalistischen Extremisten die serbische Politik der ethnischen Säuberungen und koordinierten ihre militärischen Angriffe mit den Truppen des Serbenkommandeurs Ratko Mladić.

Die Extremisten beider Seiten arbeiten heute wieder eng zusammen. Čović will die bosniakisch-kroatische Föderation sprengen und eine dritte, kroatische Entität in Bosnien und Herzegowina aufbauen. Der ehemalige Präsident Kroatiens Stipe Mesić und andere führende Persönlichkeiten des liberal-demokratischen Lagers in Kroatien, die das Land mit ihrem liberalen Kurs in die EU geführt hatten, verurteilten Čović scharf. Sie warfen der kroatischen Regierungspartei HDZ vor, die herzegowinischen kroatischen Ex­tremisten zu stützen.

Auch das Dayton-Abkommen werde nicht mehr respektiert, erklärte Mesić. Die oppositionellen Demonstranten sind zwar vom Platz vertrieben worden, versammeln sich jedoch jetzt täglich vor einer Kirche. Sie wollen nicht aufgeben, für Rechtsstaat und Demokratie zu kämpfen.

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