piwik no script img

Kommentar US-Besuch in der TürkeiErdoğan pokert weiter

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Der türkische Krieg gegen die kurdische YPG ist beendet, bevor er begonnen hat – gut so. Zwischen Trumps Berater und Erdoğan wird es schwierig.

Zwei US-Soldaten blicken von ihrer Basis von Syrien aus zur türkischen Grenze hinüber Foto: dpa

W enn Trumps Sicherheitsberater John Bolton am Dienstag in Ankara auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan trifft, werden wohl die Fetzen fliegen. Beide sind nicht für diplomatische Zurückhaltung bekannt und die Meinungen könnten nicht gegenteiliger sein. Es geht, wieder einmal, um die syrische Kurdenmiliz YPG. Sie sind Verbündete der USA im Kampf gegen den IS, werden aber von der türkischen Regierung für einen Ableger der PKK gehalten, die seit über 30 Jahren bewaffnet und durchaus auch mit terroristischen Mitteln gegen den türkischen Staat kämpft.

Als der Alleinentscheider Trump dem Alleinherrscher Erdoğan kurz vor Weihnachten am Telefon versprach, die US-Soldaten aus Syrien in wenigen Wochen abzuziehen, schien die türkische Politik ein lange angestrebtes Ziel erreicht zu haben. In Ankara glaubte man, endlich freie Hand zu haben, um gegen die YPG-Miliz im Südosten Syriens vorgehen zu können. Für Erdoğan ist sie sowieso viel gefährlicher als der IS, doch sie stand bislang unter dem Schutz der USA.

Nur gut zwei Wochen später, nach heftiger Kritik an Trumps einsamer Rückzugsentscheidung, ist wieder alles anders. Trump hat den Rückzug vom Rückzug erklärt, und Bolton sagte vor zwei Tagen, die US-Truppen würden sich auch langfristig nur dann aus Syrien zurückziehen, wenn Erdoğan zusichern würde, die kurdischen US-Verbündeten nicht anzugreifen. Bereits vorher hatte Erdoğans „Freund“ Putin klargemacht, dass ein von den USA geräumtes Kurdengebiet ein Fall für Assads Regierungstruppen und nicht für die türkische Armee sei.

Dennoch pokert Erdoğan weiter. Er lässt Truppen an die syrische Grenze schaffen und versucht, den Anschein zu erwecken, dass ein erneuter Einmarsch in Syrien jederzeit stattfinden kann. Doch gegen den Willen der USA und Russlands kann die Türkei in Syrien keinen Schritt tun. Der Krieg gegen die YPG ist beendet, bevor er begonnen hat, und das ist gut so. Vielleicht können Putin und Trump gemeinsam Erdoğan auf den Weg zu einer politischen Lösung bringen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Immerhin mal ein Artikel, der sagt “werden aber von der türkischen Regierung für einen Ableger der PKK gehalten“ und das nicht einfach so schablonenhaft übernimmt. Sicher bestehen Verbindungen, aber das gesellschaftliche Konzept der YPG ist auch sicher nicht der Stalo-Kommunismus der 80er Jahre PKK, und auch in der Türkei ist die kurdische Bewegung, die natürlich tw. aus der PKK erwachsen ist, wesentlich fortschrittlicher und großteils auch gewaltfrei eingestellt. Das gewaltfrei in Syrien gerade besonders schwierig ist, ist klar, “Terroristen“ kann man die YPG aber wirklich nicht nennen. Die streben v.a. eine lokale, basisdemokratische und geschlechtergerechte und - langfristig - eine antikapitalistische Gesellschaft an.



    Deshalb ist es klar, dass Erdo sie bekämpft natürlich auch weil er sowas auf “eigenem Boden nicht will.



    Und es ist eine Ironie der Geschichte, dass eine stramm rechte US-Regierung diese Menschen jetzt als Verbündete an der Backe hat, und sich vor der Weltöffentlichkeit nicht bloßstellen will, sie fallen zu lassen, obwohl sie ihnen diametral entgegen stehen.

  • Im Artikel wird zwar der Terror der PKK erwähnt, der Terror des türkischen Staates gegen friedliche Kurden im eigenen Land nicht. Ganze kurdisch dominierte Innenstädte wurden von der türkischen Armee platt gemacht um anschließend syrische Flüchtlinge dort an zu siedeln (die TAZ berichtete).

  • Putin, Trump, Erdogan, Assad, Sisi, die Mullahs in Teheran, die Warlords in Libyen, der saudische Schlächter: eine feine Gesellschaft, die das völlige Versagen des Westens für die Gestaltung des Nahen Ostens übrig gelassen hat und die jetzt über das Schicksal von Millionen Menschen entscheiden. Die Syrer haben etwas besseres verdient.