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tanz den lafontaine von HARTMUT EL KURDI

Angesichts des fortgesetzten Linkspartei-Bashings seitens der Konkurrenz und aller maßgeblicher Medien bin ich fast versucht, doch Gysi und Lafontaine zu wählen. Einfach so. Aus Scheiß. Und weil der zusehends plumper und schamloser werdende Kapitalismus nichts anderes verdient hat als jene „plumpe Kapitalismuskritik“, die zum Beispiel der Spiegel Lafontaine vorwirft. Auf einen groben Klotz gehört eben ein grobes Männlein.

Man stelle sich nur mal vor, Guido Westerwelle wird wirklich Minister! So primitiv kann die Kritik an Westerwelles klassenstreberischem Sozialdarwinismus gar nicht sein, als dass sie auch nur annähernd angemessen wäre. Und gegenüber einem Paul Kirchhof oder einer Ursula „Ich grins mich ohnmächtig“ von der Leyen wirkt jede ernsthafte Kritik grotesk. Um hier adäquat zu reagieren, müsste man auf das Repertoire von Kindergartenkindern zurückgreifen, „Pullerpuller“ rufen und mit Sand schmeißen.

Andererseits gibt es diverse Argumente gegen Gysi. Und noch viel mehr gegen Lafontaine. Vor allem ästhetische. So gilt hier die alte Regel aus der Gebrauchtwagenbranche: Ein Verkäufer, der sich das traurige längliche Resthaar quer über die Glatze legt, ist ein Gewohnheitslügner und stellt auch den Tacho zurück oder dreht einer alten Bibliothekarin ein überlackiertes Totalschadenwrack als Jahreswagen an.

Auch sei an das Jahr 1996 erinnert, in dem Lafontaine bei einem Juso-Treffen zwecks Anwanzerei an die Jugend zum Rhythmus irgendeines Technomatsches „tanzte“ beziehungsweise das Gewicht seines kleinen massigen Körpers vollkommen unkoordiniert von einem Bein aufs andere verlagerte. Selten sah man dem Peinlichen und Bösen direkter ins Antlitz. Nur wenn Claudia Roth mal wieder in einer TV-Show ihrer Zeit als Mensch nachtrauert und mit ihrer Mitgliedschaft in der Ton-Steine-Scherben-Kommune prahlt, weht ein ähnlich gruseliger und beschämender Wind durchs Land.

Womit wir beim Hauptvorwurf gegenüber der Linkspartei wären: dem Populismus. Populismus bedeutet, den Leuten das zu erzählen, was sie hören wollen. Es handelt sich dabei um die übliche, der Demokratie leider implizite Methode, Wahlen zu gewinnen. Da lässt man wie Roland Koch Arschlöcher gegen Ausländer unterschreiben, da hält man sich wie Schröder und Fischer ganz gegen die eigene Überzeugung aus einem Krieg heraus, da pöbelt man wie die FDP gegen Beamte und Arbeitslose, wie die CSU gegen Homos und gegen die Juden wie Möllemann. Dass man damit auch abstürzen kann, hat Letzterer vorgeführt, meist aber funktioniert das Prinzip wunderbar. Was also soll der Vorwurf? Die Populismus-Unterstellung ist selbst populistisch: Weil ein gewisser Teil der Wähler hören möchte, dass Gysi und Lafontaine „Volkstribune“ seien, wird das eben behauptet, bitte schön, könnt ihr haben.

Als Wähler wirklich schwach werden aber könnte man in Anbetracht des Vorwurfs, die beiden Herren seien „Fahnenflüchtige“. Das würde im positivsten Falle bedeuten, dass sie sich nach schön laut geleisteter Plumpkritik wieder dezent ins Privatleben zurückzögen. Und das wäre doch mehr, als man verlangen kann.

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