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Harald Keller Der WochenendkrimiLondon der frühen 40er: Was wäre gewesen, wenn die Nazis die Macht übernommen hätten?

So stellt man sich einen Detective Superintendent in den 40er-Jahren vor: Douglas Archer (Sam Riley) im besetzten LondonFoto: Sid Gentle Ltd/rbb

Als hätten sie sich verabredet: Im Oktober 2014 begannen in Deutschland die Vorarbeiten zur Fernsehserie „Babylon Berlin“. Einen Monat später machte sich in Großbritannien die Sid Gentle Films Ltd daran, Len Deightons Roman „SS-GB“ zu adaptieren. Das Berlin der Endzwanziger. Das London der frühen Vierziger. Bei Deighton jedoch anders als in den Geschichtsbüchern: Die Deutschen haben das südliche Britannien besetzt. Winston Churchill wurde hingerichtet, König George VI. arrestiert.

Douglas Archer (Sam Riley) von Scotland Yard bekommt neue Chefs. SS, Gestapo, Wehrmacht – alle verfolgen eigene Ziele. Im Untergrund organisiert sich der Widerstand. Archers aktueller Fall, der Mord an einem Schwarzmarkthändler, erweist sich als politisch brisant. Wie verhält sich US-Botschafter Kennedy zu alldem?

Die Drehbücher zu „SS-GB“ stammen von Neal Purvis und Robert Wade. Gemeinsam haben sie sich mit den jüngsten „James Bond“-Abenteuern hervorgetan. Nun bringen aber Kinoschaffende nicht automatisch hochwertige Fernsehserien zustande. Im Gegenteil zeigt die Programmgeschichte, dass die signifikanten Innovationen in der Sparte Serielle Fernseh-erzählung von erprobten TV-Autorinnen und -Autoren stammen. Nachweisbar auch bei der britischen BBC, die „SS-GB“ kommissioniert hat. Gerade bei dieser aufwendig produzierten Serie hapert es nun daran. Wie die deutschen Kollegen von „Babylon Berlin“ folgen Neal Purvis und Robert Wade und der deutsche Regisseur Philipp Kadelbach der Kinodramaturgie der schnellen Reize. Da ist das visuelle Erlebnis oft wichtiger als der Inhalt. Es fehlt an Zwischentönen; die Figuren erfüllen ihre Funktionen, gewinnen aber kein Leben. Mit dem Ergebnis, dass in langen Dialogpassagen – in der zweiten Folge etwa für die Dauer eines Kartenspiels – umständlich vermittelt werden muss, was darstellerisch umzusetzen nicht gelang.

Die Schauspieler spielen nebeneinanderher. Wie Volker Bruch in „Babylon Berlin“ bewegt sich Sam Riley mit starrer Düstermiene durchs Geschehen. Auch Deutsche wirken mit in der ursprünglich zweisprachigen Serie, Lars Eidinger als allgegenwärtiger SS-Offizier Huth theatralisch bis an den Rand der Karikatur, Rainer Bock genüsslich als Gruppenführer Kellermann.

„Babylon Berlin“ und „SS-GB“ passen zueinander. Dort wie hier wird groß aufgetrumpft. Gute Serienerzählungen aber sehen anders aus.

„SS-GB“, je drei Folgen am Samstag und Dienstag um 22 Uhr im RBB

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