: Das machbare Wunschschloss
Der umstrittene Schlossbau in Berlins Mitte rückt näher. Eine vom Bund in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie hält die Finanzierung und weitgehende öffentliche Nutzung für realisierbar. Die 500–800 Millionen Euro sollen Investoren vorstrecken
AUS BERLIN TINA HÜTTL
Berlin hat ein gewisses Talent für die Produktion von Brachen. Wenn Ende des Jahres der Palast der Republik abgerissen wird, fürchteten viele zu Recht, dass ein neues Ödland mitten im Herzen der Stadt droht. Der Wiederaufbau des Hohenzollern-Schlosses – vom Bundestag vor mehr als drei Jahren beschlossen – ist nun aber ein gutes Stück näher gerückt. Nach einer Machbarkeitsstudie, die gestern von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) und Bauminister Manfred Stolpe (SPD) vorgestellt wurde, könnte bereits im Jahr 2007 mit der Rekonstruktion des Barockschlosses begonnen werden. Die geschätzte Bauzeit beträgt sechs Jahre, die Kosten zwischen 500 und 800 Millionen Euro. Bisher schien das unfinanzierbar, doch nun soll das Geld durch eine öffentlich-private Partnerschaft aufgetrieben werden. Neben der zum größten Teil kulturellen Nutzung sind ein privates Fünf-Sterne-Hotel und eine Tiefgarage geplant. Nur die Investoren sind noch nicht in Sicht.
Die Vertreter von Bund und Land sprühten geradezu vor Optimismus angesichts der vorgelegten Studie. Ganz vorneweg Bauminister Stolpe, der versprach, die durch Palast und Rummelplatz klaffende „Wunde“ in Berlins Mitte „nun endlich in Ordnung zu bringen“. Die von Schlüter erbaute und von der DDR-Regierung 1950 abgerissene Schlosskubatur werde nach historischem Vorbild inklusive der Barockfassade wiederaufgebaut, war sich Stolpe sicher. Denn laut den drei privaten Beratungsunternehmen, die die Auftragsstudie erstellt hatten, ist nur die historische Architektur mit einer überwiegend öffentlichen Nutzung eine realistische Option. Eine rein privater Gebrauch des Gebäudekomplexes, gleich welcher Ausgestaltung, rechne sich für keinen Investor, erklärte Andreas Schulten, Vorstand des involvierten Beratungsunternehmens BulwienGesa.
Die Albträume einer neuen innerstädtischen Shopping Mall und weiterer verwaister Büroräume sind also vom Tisch. Zu 70 Prozent sollen das so genannte „Humboldt-Forum“ von den Staatlichen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Humboldt-Universität und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin belegt werden. Auf den restlichen 30 Prozent der etwa 135.000 Quadratmeter messenden Grundfläche soll ein privat zu finanzierendes Luxushotel mit einer Veranstaltungs-Agora und einer Tiefgarage entstehen.
Für den Staat wird trotzdem der größte Teil der Summe zu bezahlen sein. Doch auch hier haben die Machbarkeits-Experten einen Vorschlag: Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb des Schlosses liegen gegen Zahlung eines jährlichen Entgeltes in der Hand eines privaten Partners. Die Steuerzahler legen dann nur 20 bis 40 Millionen Euro jährlich hin – gestreckt auf 30 Jahre.
Trotz dieser Hypothek auf die Zukunft verbreitete auch Thierse gute Laune: „Das Gutachten beweist, dass die Beschlüsse des Parlaments gelten und realisierbar sind“, sagte er. Schon 2007 wolle man mit dem Bauen beginnen. Eineinhalb Jahre dauere etwa der Abriss der Palastruine.
Diesen Zeitplan hält Bruno Flierl, ehemaliges Mitglied der von der Bundesregierung im Jahr 2000 eingesetzten „Kommission historische Mitte“, für reine Wahlkampfpropaganda. Drei Jahre, errechnete die Kommission, benötige man für die Erstellung einer detaillierten Raumplanung, die Ausschreibung eines Investoren- und schließlich Architektenwettbewerbs. Bisher seien private Nutzer und Geldgeber nicht in Sicht. Zeitaufwändig sei aber auch die demokratische Legitimation. „Der jetzige Plan mit einem Luxushotel entspricht nicht der Absicht des Bundestages und muss erst einmal abgesegnet werden“, kritisierte Flierl.
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