Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Er ist ein großer Komponist des 20. Jahrhunderts, dessen Werk fast verloren ging, obwohl es schon das Jahrhundert der Aufzeichnung war, in das er 1940 hineingeboren wurde: der amerikanische Komponist Julius Eastman. Bereits als junger Mann fiel seine Begabung auf. Im Lauf seiner kurzen Karriere arbeitete Eastman mit Größen wie Meredith Monk und John Cage zusammen. Doch verfiel er in den 1980er Jahren zunehmend den Drogen. In einer von weißen Heterosexuellen dominierten Avantgardeszene fand er als schwarzer Homosexueller keinen Ort. Am Ende war er obdachlos und starb 1990, noch nicht einmal fünfzig Jahre alt. Dem Werk Eastmans, das in den letzten Jahren wiederentdeckt, rekonstruiert und international gefeiert wird, widmet der Choreograf Christoph Winkler seine neue Produktion: „Speak Boldly – The Julius Eastman Dance Project“, das am 6. 12. die Sophiensæle zeigen. Auf der Basis von drei Stücken Eastmans – „Gay Guerilla“, „The Holy Presence of Joan d’Arc“ und „Femenine“ fragt Winkler, welche Inspiration der Tanz aus diesem Werk hätte ziehen können, wenn er Teil des musikalischen Kanons geworden wäre. Mit von der Partie: mehrere Flügel, Celli, Keybords und Saxophone (Sophiensæle: „Speak Boldly – The Julius Eastman Dance Project“, 6.–9. 12. jeweils 20 Uhr).
Die Regisseurin Amina Gusner hat einen berühmten Frauen-Stoff des 20. Jahrhunderts neu befragt: und zwar Maxi Wanders Gesprächsprotokolle mit Frauen in der DDR von 1977: „Guten Morgen, Du Schöne“ – Dokumente eines neuen Selbstbewusstseins und vor allem neuer Selbstbestimmtheit der Frauen vor vierzig Jahren in der DDR. Wie es sich inzwischen anfühlt, eine Frau zu sein, wollte Amina Gusner wissen, und hat erneut Gespräche mit Frauen geführt. Mit nicht besonders ermutigendem Ausgang, wenn man den Titel liest: „Gefalle, Du Schöne!“ heißt der Abend, der aus den Gesprächen entstanden ist und im Theater unterm Dach Premiere hat (Theater unterm Dach: „Gefalle, Du Schöne!“, 8., 9. 12, und 13.–15. 12., jeweils 20 Uhr).
Aber man kann sich natürlich nicht immer nur mit den dunklen Seiten der Welt befassen. Manchmal dürfen Theater auch einfach nur Wärmestuben fürs Herz sein. Das Charlottenburger Renaissance Theater zum Beispiel, wo sich Antoine Uitehaag und Guntbert Warns auf die musikalische Suche nach der großen Liebe machen. Im Zentrum steht eine Tankstelle, die für eine Handvoll Leute genau das ist, was auch Theater sein könnte: Zuflucht und Sehnsuchtsort, wenn sonst nichts mehr hilft (Renaissance Theater: „Tanke Sehnsucht“, Premiere: 9. 12., 18 Uhr).
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