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Kito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um

Feine Lakonie schwingt in den großformatigen Gemälden von Peter Herrmann. In der retrospektiven Ausstellung bei Bermel von Luxburg gehen Traum und Wirklichkeit, Alltag und Mythologie wunderbare Mischungsverhältnisse ein: Der griechische Gott Hephaistos grillt für die schöne Pallas Athene Würstchen mit Senf im frühsommerlichen Tiergarten, Frankenstein und seine Geliebte gehen in eine Künstlerbar, ein großstädtisches Liebespaar wird von nächtlichen Helikopterwesen mit Scheinwerferaugen heimgesucht. Herrmann ist ein Meister der Reduktion. Mit der Beschränkung auf das Wesentliche gelingen Bilder mit Wucht. Aus prosaischen Dingen wie Aschenbechern, Kaffeetassen, Dönerspießen oder ineinandergeschobenen Einkaufswagen vor dem Supermarkt entwickelt Herrmann meditative Szenen über den urbanen Alltag. Die scheußliche Stadt Berlin erscheint plötzlich schön (bis 22. 12., Di.–Fr. 12–18.30, Sa. 11–18.30 Uhr, Fasanenstr. 29).

Ursprünglich verbrachte die New Yorker Künstlerin Annabel Daou im vergangenen Winter sechs Wochen im National Museum of Beirut, um eine Audioguide-Arbeit zu produzieren. Während des Aufenthalts beschäftigte sie sich auch mit den im Museum ausgestellten altertümlichen Mosaiken und begann diese zu fotografieren. Bei Tanja Wagner sind nun Papiercollagen ausgestellt, die Mosaiken formal ähneln, jedoch in Verbindung mit Sprache auch mit der Gegenwart in Verbindung bringen. „Who controls the past / Who controls the present“ steht dort unter anderem zu lesen. Daou spielt auf die Geschichtsmanipulationen des „Wahrheitsministeriums“ in Orwells „1984“ an. „Wer die Vergangenheit kontrolliert, der kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, der kontrolliert die Vergangenheit!“, lautete dessen Parole (bis 26. 1., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Pohlstr. 64).

Um sich an 1968 zu erinnern war dieses Jahr nicht viel Zeit. Schuld ist die angriffslustige Gegenwart. Deshalb kommt die Schau „1968 ff“ in der Galerie p.w. richard gelegen, wo Grafik und Editionen aus den späten Sechzigern gezeigt werden. Zu sehen gibt es etwa einen großen Siebdruck von Andy Warhol, dessen Grundlage ein Businessclass-Flugticket der Scandinavian Airlines von New York nach Stockholm bildete. Warhol machte es einfach zum Plakat für seine erste Museumsausstellung in Europa. Pop-Art-Guru Richard Hamilton hingegen gestaltete ein Poster für die Beatles, das dem „White Album“ beigelegt wurde. Im Jahr seines Erscheinens allein wurde das Album über 4 Millionen Mal verkauft. Nie waren Kunst und Pop symbiotischer (bis 22. 12., Mi.–Fr. 13–19, Sa. 13–16 Uhr, Wielandstr. 13).

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