berliner szenen: Die einzig vernünftige Kneipe
Eine Freundin überlegt, ob und, wenn ja, wo und wie sie ihren 40. Geburtstag feiern soll. Ihre Wohnung ist klein, und es ist zu kalt, in einen Park zu gehen. Schließlich entschließt sie sich zu einem Kneipenabend und schickt mir den Link der Location. Der Name der Kneipe sagt mir nichts. Die Bilder aber kommen mir bekannt vor. Nur woher? In den sieben Jahren, die ich in Spandau lebe, war ich dort vielleicht in fünf Kneipen. Zum Arbeiten gehe ich in Cafés, um Freunde zu treffen, fahre ich aus Spandau raus.
Als ich in der Kneipe ankomme, ist es krachend voll. Beim Betrachten einer Gruppe, die im Gang tanzt und allen Reinkommenden Hüte aufsetzt, fällt es mir wieder ein: Ich habe hier meinen 30. Geburtstag verbracht. Oder eher: die letzten Minuten meines 30. Geburtstags. Tagsüber saß ich in einer Münchner Redaktion, abends im ICE nach Berlin. Der saß wegen Schneetreibens stundenlang auf der Strecke fest. Als ich endlich in Spandau ankam, war es bereits 23.30 Uhr. Die zwei Lieblingsmenschen, die am Bahnhof auf mich gewartet hatten, waren beinahe erfroren, alle Kneipen, an denen wir vorbeikamen, wirkten wenig einladend. Mit Kuchen und Sekt in den Händen liefen wir durch einen Schneesturm, bis uns jemand empfahl, in eine kleine Seitenstraße abzubiegen: „Da ist die einzige vernünftige Kneipe in der Gegend.“ Wir gingen hinein, ohne auch nur zu gucken, wie sie heißt, und hatten gleich das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein: Es war voll, aber nicht zu voll, die Stimmung war gelöst, und auch damals wurde im Gang getanzt.
Das Geburtstagskind lacht, als ich erzähle, dass ich hier an meinem 30. Geburtstag war. Zwei ihrer Freunde, die sie vor Jahren hier in der Kneipe kennengelernt hat, hören mit und meinen: „Wo denn auch sonst?“
Eva-Lena Lörzer
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