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Mürbe Zermürber

Notgedrungen lässt Schalkes Trainer Tedesco seine Elf gegen Galatasaray Istanbul wieder einfach spielen. Eine erfolgreiche Stabilisierungsmaßnahme

Ackert und flucht nach Leibeskräften: Guido Burgstaller steht für die Widerständigkeit des Schalker Spiels Foto: ap

Aus Gelsenkirchen Andreas Morbach

Domenico Tedesco ging es am Dienstagabend wie einem Galopprennpferd, das in der Startbox ungeduldig darauf wartet, dass die Tür vor ihm aufschwingt und es endlich loslegen kann. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern vier- oder fünfmal. Nach jeder Frage zum rassigen 2:0 seiner Mannschaft gegen Galatasaray Istanbul wollte Schalkes Trainer schon das Wort ergreifen – merkte aber stets, dass zunächst der Übersetzer an der Reihe ist. Tedesco bremste regelmäßig ab, machte ein entschuldigendes Handzeichen zu dem Mann zu seiner Linken, bis er schließlich erzählen durfte, wie er seinen lange etwas lahmenden Spielern Beine gemacht hat.

Nur abzuwarten, dass sich die Torflaute seiner Profis von allein legt, war für den schmalen Deutschitaliener keine Option. „Wir haben versucht, das Thema zu trainieren“, erläuterte Tedesco. Das beinhaltete viele Einheiten vor dem Videogerät, aber auch Einfallsreichtum bei der praktischen Arbeit. In eine Ecke des großen Fußballtors rückte Tedesco da zum Beispiel eines dieser winzigen Eishockeytore. Der Motivationsgedanke, der laut S04-Coach dahintersteckt: „Auch wenn nur einer von zehn Schüssen in das kleine Tor geht, hast du im besten Fall mit den anderen neun Bällen zumindest das große getroffen.“

Die größte Pein für einen ehrgeizigen Denker wie Tedesco ist es, in einer Ergebniskrise die eigenen Ideen bis auf Weiteres einmotten zu müssen. „Wenn der Erfolg nicht da ist, musst du einfache Pläne haben und dich am Gegner ausrichten“, erkannte Tedesco in der zähflüssigen Startphase der Saison betrübt. Die heiß geliebte Taktik des Vorjahres, die Gegner nach und nach zu zermürben, hatte erst mal ausgedient. Und soll nun, nach den jüngsten Erfolgen in Pokal (Köln), Meisterschaft (Hannover) und nun auch in der Champions League in überarbeiteter Form ihre Renaissance feiern.

„Mit jedem Erfolgserlebnis kannst du dich mehr und mehr auf dich verlassen, außerdem kommt die Leichtigkeit zurück. Das ist logischerweise ein besseres Gefühl“, berichtet Tedesco – der in diesem aufreibenden Herbst nicht zuletzt einen Weg finden musste, womöglich aufkeimende Selbstzweifel bei seinen Spielern geschickt wegzumoderieren.

Gerade zarte Pflänzchen brauchen die richtige Wasserzufuhr – und Tedescos Geschick im Umgang mit der Gießkanne ist speziell bei den Angreifern Guido Burgstaller, Breel Embolo und dem neuerdings mehr ins Mittelfeld zurückgezogenen Mark Uth zu erkennen. Allen drei fiel der Gang in die Runde außerordentlich schwer, jetzt aber zahlt sich der Vertrauensvorschuss des Trainers aus: Embolo und Uth offenbarten spätestens mit dem 3:1 gegen Hannover am Wochenende, wozu sie als Offensivduo in der Lage sind. Und auch Burgstaller nimmt zunehmend Fahrt auf.

Die heiß geliebte Taktik, die Gegner nach und nach zu zermürben, hat erst mal ausgedient

„Ein bisschen deprimierend“ fand der fleißige Österreicher die Monate August und September. Seit Oktober geht es aufwärts, gegen Istanbul brachte Burgstaller die Blau-Weißen nun mit einer geistesgegenwärtigen Aktion gegen den irrlichternden Gästekeeper Fernando Muslera früh in Führung. „Ein sehr intelligenter Spieler“, lobt Teamkollege Daniel Caligiuri den Stürmer und sagt: „Es freut mich riesig für ihn, weil er von der ersten bis zur letzten Minute ackert.“

Auch Neuzugang Salif Sané trägt als Mittelpunkt der Schalker Dreierkette immer mehr zum positiven Trend bei. „Vor allem das Vorwärtsverteidigen hatte er anfangs nicht so drin. Aber das lernt er nicht im Training, sondern auf dem Spielfeld“, erklärte Tedesco die Dauereinsätze für den baumlangen Senegalesen – der gemeinsam mit seinen neuen Mitspielern schon mal ein Auge Richtung Achtelfinale werfen kann.

In Europas Meisterklasse hat S04, am Sonntag zu Gast in Frankfurt, alles selbst in der Hand: Bei einem Sieg im letzten Heimspiel gegen Schlusslicht Lokomotive Moskau ist das Ticket für die K.-o.-Runde sicher gebucht. Für Mittelfeldmann Caligiuri ist das nach den neuesten Erkenntnissen aber nicht mehr genug. Spitzenreiter Porto steht aktuell noch zwei Punkte besser da, in drei Wochen geht’s an die portugiesische Atlantikküste – und der gebürtige Schwarzwälder Caligiuri kündigt mit neuem Elan an: „Jetzt wollen wir versuchen, Gruppenerster zu werden, ganz klar.“

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