piwik no script img

Kito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um

Wie obsolet ist die Frage nach Glück in einer Gegenwart voller Untergangssehnsüchte oder hochgradig kommerzialisierter sozialer Bindungen? Die Kunst von Sam Pulitzer – gegenwärtig in der Galerie Lars Friedrich und im Gegenwartsmuseum Hamburger Bahnhof zu sehen – provoziert solche Gedanken, doch kulturpessimistisch wirkt sie nicht. Wie ein Fischer watet der in New York lebende Künstler (geboren 1984 in Fremont, New Hampshire) durch den Strom der Alltags und zieht Slogans, Bilder und Zeichen aus dessen Tiefen, um sie zu verändern und neuen Kombinationen zusammenzufügen. „How much love, sex, fun and friendship can a person take?“ steht in großen Lettern bei Friedrich an der Wand geschrieben. Einst warb der Spruch für ein Hollywood-Drama am Anfang der Reagan-Ära. Auch eine rhetorische Frage ist eine Frage der Rhetorik (bis 22. 12., Do.–Sa. 13–18 Uhr, Kantstr. 154a).

Kayode Ojo (geboren 1990 in Cookeville, Tennessee) bedient sich in seiner Praxis oft beim Film und der Mode. Eine Art kühler, kaputter Glamour durchzieht die Mischung aus Readymade-Installation, Video und Fotografie, die zugleich das Debüt der neuen Kreuzberger Galerie Sweetwater, Berlin markiert. Die aus Klunker und Kronleuchter bestehende Installation „He Valued His Privacy“ (2018) scheint auf den Punkt zu zielen, an dem vermeintliche Luxus- und Trash-Ästhetik ununterscheidbar werden. Mit seiner Kamera lotet Ojo die Möglichkeiten von größtmöglicher Nähe und Distanz aus: In der Serie „Reaching Out“ scheint es unklar, ob die Hand des Fotografen die aus nächster Nähe Fotografierten in das Bild zieht oder aus diesem schiebt (bis 17. 11., Mi.–Sa., 12–18 Uhr, Kottbusser Damm 7).

Neu in Berlin ist auch die Galerie Kajetan am nördlichen Rand des Bergmannkiezes. Galerist Tobias Posselt zeigt in seiner Eröffnungsausstellung unter dem Titel „Form follows Fiction“ die Kunst von Anneke Kleimann, Marc Nagtzaam, Trine Søndergaard und Jan Wawrzyniak (siehe Einblick). Deren Werke erscheinen bei aller Unterschiedlichkeit durch eine gewisse formale Strenge und minimalistische Ästhetik verbunden. Die Berliner Künstlerin Anneke Kleimann trägt den Sound einer Nordseewelle als Skulptur in den Raum, was zu den Aufnahmen von Trine Sønder­gaard zu passen scheint, die einst Frauen in Trauertracht auf der Nordseeinsel Föhr fotografierte. Das Architektonisch-Geometrische umkreisen die Zeichnungen des Berliners Jan Wawrzyniak und des Niederländers Marc Nagtzaam. Im Weglassen entsteht Kunst (bis 27. 1., Mi.–Fr. 14–19, Sa. 12–16 Uhr, Gneisenaustr. 33, 1. Hof, 2. Etage).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen