piwik no script img

wortwechselGesundheitswirtschaft? Privatisierungswelle!

Werden wir mit Fake News zur Kostenexplosion im Gesundheitssystem gefüttert? Soll die „Gesundheitswirtschaft“ Modell stehen für eine ständig unsozialer werdende Lebenswelt?

Egal, in welchem privaten oder kirchlichen Pflegeheim diese Altenpflegeschülerin später arbeiten wird – ein miserabler Lohn ist garantiert Foto: Jens Büttner/dpa/picture alliance

„Das Märchen von den teuren Alten“,

taz vom 3./4. 18

Solzialsysteme schützen

Neoliberalismus, Friedrich Merz und Blackrock – Nein danke! Bernd Hontschik schreibt treffend: „Die neoliberale Gesundheitswirtschaft ist Teil einer Umwälzung, von der ausnahmslos alle Sozialsysteme in unserer Gesellschaft betroffen sind“. Seit fünf Jahren erleben wir bereits als MieterInnen einer ehemals gemeinnützigen Gartenstadtsiedlung, die zur LEG AG Siedlung mit 12 Prozent Beteiligung des Investors Blackrock wurde, was Hontschik als „Gesundheitswirtschaft“ prophezeit. Belastungen unserer Sozialkassen durch privat nicht mehr aufzubringende Mieten nach schwindelerregenden Mieterhöhungen, durch Einschüchterung insbesondere älterer MieterInnen abgepresst, falsche und betrügerische Nebenkostenabrechnungen und -erhöhungen. Klagen und Gerichtsverfahren ohne Ende. Unsere älteren Nachbarn lebten pflegerisch preiswert und menschlich selbstbestimmt in ihren Wohnungen, wurden aber durch die Einschüchterungen des Vermieters regelrecht in Krankheiten und in die teuren Pflegeheime getrieben. Dort werden sie von demselben Investor nochmals abkassiert?

Jetzt brauchen wir einen parteiübergreifenden Konsens und Zusammenschluss, der unsere Sozialsysteme schützt und Investitionen von einschlägigen Investoren und ihren Seilschaften in die Parteien hinein stoppt.

Martina Keilbart, Bielefeld

Sparen für den Moment?

Wenn die Rede von den teuren Alten tatsächlich Realität ist (ich denke, sie ist es), spricht dies nicht gegen die Alten und einem angemessenem Umgang mit ihnen. Es spricht gegen eine globalisierte Haltung, die alles und jedes unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet. Allerdings nur unter dem Aspekt der Kurzfristigkeit. Dass manche Maßnahmen, die kurzfristig sparsamer zu sein scheinen, langfristig unbezahlbar werden, ist jedem bekannt, den es interessieren würde. Gerne verweise ich hier auf den Umgang mit nuklearen Abfällen.

Wolfgang Leiberg auf taz.de

Geh gesund zum Arzt …

Als Patient kann man sehr gut Verantwortung übernehmen – wenn’s einem gerade so gut geht, dass man keinen Arzt braucht. Ansonsten bleibt die Ohnmacht.

Bodo Eggert auf taz.de

In Würde sterben

Klasse, dass Sie sich des Themas annehmen beziehungsweise einen Kliniker zu Wort kommen lassen. Ja, das Problem sind nicht die Kosten, sondern, wie Bernd Hontschick schreibt: die Wandlung des Gesundheitswesens in eine Gesundheitswirtschaft mit der Konsequenz, dass nicht der Mensch, sondern der Gewinn im Vordergrund steht. Dazu kommt, dass fast jeder (noch) nicht an seine eigene Sterblichkeit denkt, dass zu spät darüber nachgedacht wird, wie wir sterben wollen. Kaum jemand möchte am Ende seines Lebens im Krankenhaus an Schläuchen und alleingelassen sterben. Wenn wir uns frühzeitig Gedanken machen, werden wir häufig feststellen, dass wir gern auf teure (oftmals nicht lebensverlängernde, dafür eventuell Lebensqualität nehmende) Maßnahmen verzichten, um stattdessen in einer persönlichen und liebevollen Umgebung zu sterben. Dies würde deutlich weniger Kosten verursachen, uns Menschen jedoch ein selbstbestimmtes, würdiges Sterben ermöglichen. Leider sind wir noch nicht so weit. Ich hoffe jedoch, dass sich ganz langsam das Bewusstsein dafür wandelt. Sie tun einen kleinen Teil dazu, danke! Sabine Rasper, Scholen

Macht Alter zum Thema!

Liebe taz, vielen Dank für den beeindruckenden Text von Herrn Hontschik, „Das Märchen von den teuren Alten“. Bitte weiter so zu diesem Thema! Und super, dass ihr jetzt in „Leichter Sprache“ schreibt. Else Schmidt, Falkensee

Habt ihr sie noch alle?

„Reis und Rouladen“, taz vom 3./4. 11. 18; „Wir. Dienen. Deutschland“,

taz vom 3./4. 11. 18

Die Autor_innen zeichnen eine neoliberale Idylle, in der deutscher Fachkräftemangel arbeitgeberfreundlich behoben wird: nicht durch Lohnerhöhungen und andere Verbesserungen von Arbeitsbedingungen, sondern durch die (Aus-)Nutzung von internationalem Lohngefälle. Weder Braindrain noch hiesige Lohngefüge werden auch nur erwähnt. Der Fakten-Artikel enthält eine krass naive Problembeschreibung, die jeden Arbeitgeber dazu bringt, sich die Hände zu reiben: Die fürs Handwerk und die Pflege angeworbenen Migrant_innen stehen deshalb zur Verfügung, weil der „Schreiner im Kosovo keine Arbeit findet“ und die „Physiotherapeutin aus Marokko zu Hause vergeblich einen Job sucht“ – sie können prima die Lücken in Deutschland füllen. Subtext: In den Herkunftsländern werden diese Tätigkeiten nicht gebraucht. Vermutlich wohnt im Kosovo niemand in Häusern, und Marokkaner_innen haben niemals Rücken. Die Abwanderung der qualifizierten Bevölkerung wird die Situation in diesen Ländern nicht verbessern. Die Dreistigkeit, ausgerechnet die katastrophal unterbezahlte Sorgearbeit als sinnvolles Beispiel für Arbeitsmigration zu nennen, setzt sich in den fett gedruckten Alarm-Zahlen fort. Da wird ernsthaft der Mangel an Personal in der Altenpflege als Argument für die Erleichterung von Arbeitsmigration angeführt. Ganz ehrlich, habt ihr sie noch alle? Habt ihr irgendwas von den krass schlechten Arbeitsbedingungen und ausbeuterischen Löhnen gehört? Zusammengefasst: Ihr findet es prima, wenn der Niedriglohnsektor mit Arbeitskräften versorgt wird, weil das für Deutsche mit Abitur die Lebensqualität erhöht, die sich a) weiterhin billige Produkte und Dienstleistungen leisten können, und b) ein Anschein von Multikulturalität entsteht. Und ihr betont, dass diese Form von Ausnutzung für die individuellen Migrant_innen positiv ist, und suggeriert damit, dass sie eine Lösung für internationale Wohlstandsgefälle sei. Ulrike Müller, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen