piwik no script img

Bereichernde Verluste

Dem Wilhelm-Raabe-Literaturpreis sei Dank: Judith Schalansky in Braunschweig und Hamburg

Von Alexander Diehl

Eine „Grenzgängerin zwischen Natur und Poesie“ sei sie, befand das entscheidende Gremium, „zwischen Wissenswelten und Fantasiereichen, zwischen Zählen und Erzählen“, und so sehr Misstrauen angebracht ist bei solch blumiger Preisverleihungs-Prosa: Es wird schon weniger zutreffend gesprochen worden sein über Preisträger*innen des Wilhelm-Raabe-Literaturpreises. Den bekommt am Sonntag in einer Matinee in Braunschweig Judith Schalansky überreicht, immerhin mit 30.000 Euro ist die Auszeichnung dotiert, die vergeben wird von der nämlichen Stadt sowie dem Deutschlandfunk.

Denn Schalansky ist ja, neben vielem anderen, Herausgeberin der Reihe „Naturkunden“ im Berliner Verlag Mattes & Seitz, und da kommen nun wirklich mal die Natur und das Nachdenken, die Wissenschaft und die Poesie zusammen (und einige der schönsten Bücher, gestalterisch jetzt, der letzten Jahre waren auch darunter).

Auch schön ist, wofür Schalansky, genau genommen, nun den Preis bekommt: der – im weitesten Sinne – Erzählungsband „Verzeichnis einiger Verluste“ (Suhrkamp 2018, 252 S., 24 Euro). Darin spürt sie Verlorenem nach, einiges davon von globalem, die Menschheit als Ganzes betreffend, anderes zutiefst persönlich. Eine „ganz neue Gattung“ erkannte die Raabe-Jury in den Texten: „die poetische Archivierung der verschwundenen Dinge“, die dadurch gar „eine Wiederauferstehung“ erführen.

Und wie gleich zu Beginn ein kurzer Weg – das Umschlagen einer Seite nämlich – von einer Auflistung von „während der Arbeit an diesem Buch“ Verschwundenem hinführt zu gleichzeitig (Wieder-)Entdecktem, so hängt es vielleicht einfach zusammen, das eine mit dem anderen. Das mag manchem Hoffnung spenden, gerade jetzt im dem Verlust so zugewandten Monat November.

Lange Nacht der Literatur mit Judith Schalansky, Esther Kinsky u. a.: Sa, 3. 11., Braunschweig, Staatstheater;

Judith Schalansky im Gespräch mit Lothar Müller: Di, 13. 11., 19.30 Uhr, Hamburg, Literaturhaus

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen