: „Zusätzliche Übungen zum Wettkampf“
Die Oldenburger Rhetoriktrainerin Uta Fleischmann spricht im taz-Interview über gute und schlechte Redner
taz: Frau Fleischmann, warum zieren sich viele Politiker über Rhetoriktrainings zu sprechen?
Uta Fleischmann: Vermutlich, weil man sich bei den Parteien nicht hinter die Kulissen schauen lassen will. Ich habe es schon erlebt, dass Politiker aus Niedersachsen bei Seminaren hinter Hamburg aufgetaucht sind, um sich schulen zu lassen. Die haben gesagt: Zu Hause kennen mich zu viele Leute.
Ändert sich dieses Verhalten?
In der Wirtschaft gehört das Rhetoriktraining mittlerweile dazu. Zu 60 Prozent coache ich Mitglieder von Vereinen und Verbänden, zehn Prozent sind Architekten oder andere Einzelkunden und 30 Prozent Politiker. Das werden immer mehr, vor allem junge oder „angehende“ Politiker kommen verstärkt in meine Seminare, weil sie wissen, dass es immer wichtiger wird, eine Botschaft gut verpacken zu können.
Was beinhaltet ein Redetraining?
Es sind vor allem drei Punkte: Zunächst muss man das, was jeder Einzelne an Fähigkeiten mitbringt darauf abstimmen, welche Stärken man fördert. Das muss zusammenpassen, sonst wirkt der Redner nicht authentisch. Dazu müssen die meisten an ihrer Körpersprache arbeiten. Es wirkt nicht, wenn man eine positive Nachricht mit hängenden Schultern vorträgt. Und als drittes muss jeder Redner Sprechübungen machen, damit ihm nicht wie Joschka Fischer im Wahlkampf 1998 plötzlich die Stimme wegbleibt.
Wie kann man seine Stimme schulen?
Ich spreche gern von Stimmhygiene. Stimme pflegen heißt, wenn man jeden Tag kleine Übungen macht. Das ist wie bei Spitzensportler, die müssen auch jeden Tag zusätzliche Übungen zum Wettkampf machen, damit sie gut bleiben.
Wie erkennt der Profi gut oder schlecht trainierte Redner?
Das Wahlplakat, auf dem Guido Westerwelle die Hand nach vorn streckt, soll dynamisch wirken, zeigt ihn aber in einer unnatürlichen Pose. Die Körpersprache passt nicht zu ihm, das wirkt einstudiert. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers redet, als habe er dauernd ein Karamell-Bonbon im Mund. Authentisch wirken hingegen Joschka Fischer und Gerhard Schröder. Auch wenn der Kanzler inhaltlich vielleicht manchmal nicht viel zu sagen hat, stimmt das Gesamtbild.
Wie viel muss man trainieren, um gut zu werden?
Schröder hat mit Sicherheit seit seiner Zeit als Ministerpräsident regelmäßig an seinem Erscheinungsbild, und das impliziert Körper und Stimme, gearbeitet. Um einigermaßen gut zu werden, muss man schon eineinhalb Jahre trainieren und Erfahrungen in Reden gewinnen. Das dauert ein Leben lang.
Kann man aus einem mittelmäßigen Redner einen guten machen?
Das sagen viele Kollegen, aber ich glaube nicht daran. Es bleibt immer noch wichtig, was der Redner sagt: Er muss ein Anliegen haben. Interview: ky
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen