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Flucht aus GambiaWenn alle gehen, bleibt die Wut

Aus Gambia wollen viele weg. Ich bin noch hier. Nicht Europa schuldet uns ein Leben in Würde, sondern mein Land.

In Würde einreisen – das wäre was Foto: Eléonore Roedel

Als Kind war ich fest davon überzeugt, dass alle erfolgreichen Afrikaner es entweder in Europa oder in Amerika geschafft haben. Vor fast zwei Jahrzehnten, im Jahr 2000, haben zwei meiner Brüder unser Heimatland Gambia verlassen, um sich auf den „Backway“ zu machen – den Weg durch die Hintertür nach Europa. Damals war der Landweg noch nicht so gefährlich, weil die meisten Migranten nach Marokko gingen, wo durch die Meerenge Europa ganz nah ist.

Doch seit dem Sturz Muammar al-Gaddafis im Jahr 2011 ist Libyen ein zerfallener Staat. Afrikanische Migranten benutzen seitdem diese Route und den viel gefährlicheren Weg über das Mittelmeer nach Lampedusa in Italien. Meine beiden Brüder wurden aus Spanien und Italien insgesamt viermal zurück nach Marokko deportiert.

Jedes Mal hatten sie geglaubt, es nun endlich geschafft zu haben, und jedes Mal waren sie unendlich frustriert. Der Jüngere, Abdou, entschloss sich nach zwölf Jahren vergeblicher Versuche zurückzukehren. Der andere, Amfaal, reist bis heute zwischen verschiedenen nordafrikanischen Staaten hin und her.

In all diesen Jahren ging ich in meinem Dorf noch zur Schule; meine Kindheit war geprägt von dem Unbehagen, meine Brüder nicht um mich zu haben. Noch viel schwieriger fand ich es, nichts von ihnen zu hören, während zugleich täglich neue Nachrichten von gesunkenen Booten und steigenden Zahlen toter Migranten auftauchten, deren Identität nirgendwo dokumentiert ist. Im Jahr 2014 ging mein Vater, der den Lebensunterhalt für unsere Familie bestritt, in Rente.

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Allen war klar, dass dieser Einschnitt Chaos bedeuten könnte. Wir überlegten, ob noch jemand nach Europa aufbrechen sollte. Auch ich habe unzählige Male daran gedacht zu gehen, aber ich blieb, weil sonst niemand mehr übrig geblieben wäre, um sich um die Eltern zu kümmern. Irgendwann wurde mir klar, dass ich es mit meinen Fähigkeiten und der richtigen Ausbildung auch in Gambia schaffen könnte, für mich und meine Familie zu sorgen. Ich wollte nicht mein Leben riskieren für eine Reise, die im Grunde eine Selbstmordmission ist.

Rückkehrer als Belastung für die Familie

Schon bevor irreguläre Migration nach Europa zum Massenphänomen wurde, gingen Gambier fort, aber in viel geringeren Zahlen. Sie verließen ihr Zuhause meist aus politischen Motiven. Viele Jahre litt das Land unter einem Tyrannen, der mit eiserner Faust regierte und die Menschen ins Exil trieb. Die meisten gingen, weil das Leben unerträglich war. Politisch, aber auch, weil für ihre grundlegendsten Bedürfnisse nicht gesorgt wurde. Das ordnete sie automatisch in die Kategorie „Wirtschaftsflüchtlinge“ ein. Inzwischen ist in Gambia seit 18 Monaten eine neue, demokratische Regierung im Amt.

Saikou Suwareh Jabai

Saikou Suwareh Jabai ist 25 Jahre alt und arbeitet als freier Journalist. Er ist Gründer und Chefredakteur von „The Stone Circle“, einer Nachrichten-Website für die gambische Jugend. Er lebt in der Hauptstadt Banjul.

Für junge Leute spricht nach wie vor nicht viel dafür zu bleiben, aber auf der anderen Seite gibt es auch nicht mehr so viele Gründe zu gehen. Die neue Regierung hat ein kaputtes System geerbt. Aber es hat inzwischen auch zahlreiche Kommissionen gegeben, die junge Leute eingestellt haben. Und ebenso viele Projekte, die Jobs für die Jugend geschaffen haben; der Bau der Banjul-Barra-Brücke, Straßenbau, Unternehmensgründungen. Ich denke deshalb, dass junge Leute bleiben oder zumindest später wieder heimkehren sollten, denn welchen Sinn hat es sonst, die Regierung zu drängen, das Land zu entwickeln, wenn am Ende doch alle weggehen?

Eine typische Eigenschaft afrikanischer Großfamilien besteht darin, dass alles zusammenbricht, wenn der Ernährer stirbt. In unserer Familie gab es nur noch drei männliche Mitglieder, als mein Vater starb: mich, Abideen und unseren ältesten Bruder Abdou, der als Erster den „Backway“ genommen hat. Alle anderen sind weiblich, darunter meine Mutter und auch meine Zwillingsschwester. Als Ältester wäre es eigentlich Abdous Aufgabe gewesen, Verantwortung für die Familie zu tragen. Doch Abideen musste diese Rolle übernehmen. Denn Abdou war, wie die meisten „Backway“-Rückkehrer, orientierungslos und nicht alltagstauglich.

Ein Rückkehrer ist fast immer eine Belastung für seine Familie, weil er von vorne anfangen muss. Abdou kam mit nichts zurück. Als die Situation in der Familie immer schwieriger wurde, entschied sich auch Abideen, sein Glück auf dem „Backway“ zu versuchen. Er ging voller Hoffnung und Entschlossenheit. Als er Libyen erreichte, begann er zunächst mit Maurerarbeiten; Steine formen, bauen, anstreichen. Er schickte ab und zu Geld, um die Familie zu unterstützen. Er sagte uns in einer WhatsApp-Sprachnachricht: „Ich arbeite hier, bis ich genug Geld habe für die Überfahrt nach Italien. Niemand muss für mich Geld zusammenkratzen, ich zahle selbst.“

Wütend auf den „Backway“

So ging es eine ganze Weile weiter bis zu dem schicksalhaften Tag, an dem wir einen Anruf aus Libyen bekamen von einem seiner Kollegen. Er sagte, Abideen sei schwer krank geworden. Als Migrant in einem Land, das nicht sonderlich freundlich zu Fremden ist, bekäme er aber keine medizinische Hilfe. Wenn wir ihn nicht zurückholten, würde er sicher sterben.

Es war, als hätte eine Bombe bei uns eingeschlagen! Unsere Familie sah sich mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert. Entweder wir beauftragten jemanden, Abideen zurückzubringen, oder wir würden ihn selbst holen. Nach langen Diskussionen entschieden wir uns für Letzteres: Abdou, der schon viele Jahre in Nordafrika verbracht hatte bei dem vergeblichen Versuch, nach Europa zu gelangen, wurde ausgesucht, ihn zu holen. Doch bevor er überhaupt die Stadt Agadez im Niger erreichte, starb Abideen. Er ist nur 30 Jahre alt geworden, hatte nie heiraten, nie seine Fähigkeiten entfalten können.

Normalerweise werden tote Migranten, die in Libyen niemanden haben, einfach wie Tiere entsorgt. Niemanden kümmert es. Doch Abdou setzte sich dafür ein, dass unser Bruder eine anständige Beerdigung bekam. Er entschloss sich allerdings auch, in Libyen zu bleiben und noch einmal zu versuchen, nach Europa zu gelangen. Das war eine schlimme Nachricht für mich. Nachdem ich bereits einen geliebten Bruder verloren hatte, hingen die beiden anderen in Nordafrika in der Luft. Nun musste ich die Verantwortung für die Familie allein schultern. Deswegen bin ich so wütend auf den „Backway“.

Ich habe einen Kindheitsfreund, Mafu, mit dem ich lange in einer Mannschaft Fußball gespielt habe. Nachdem er jahrelang erfolglos versuchte, einen Job zu finden, verließ er Gambia eines Tages, ohne mir auch nur ein Wort zu sagen. Es vergingen Monate ohne Nachricht von ihm. Doch plötzlich kontaktierte mich die International Organisation for Migration (IOM), eine UNO-Organisation, die Migranten bei der freiwilligen Rückkehr hilft. Sie sagten mir, Mafu werde in Libyen gerade für die Rückkehr vorbereitet. Er könne sich nur noch an meine Nummer erinnern, sie baten mich, seine Familie zu kontaktieren.

In der Nacht konnte ich nicht schlafen, weil ich mir seine Verzweiflung vorstellte und mich fragte, ob er die Rückkehr verkraften würde. Als ich ihn dann sah, war er nur noch ein Schatten seiner selbst: knochig, gebrechlich und ausgezehrt. Ich besuchte ihn gelegentlich und wir redeten darüber, was er durchgemacht hatte. Er erzählte mir, wie libysche Milizen die Migranten ausbeuteten und quälten, wie sie um ihr Leben bangen mussten, wenn sie überhaupt überlebten.

Europa fürchtet sich zu Tode

In der Zeit des Sklavenhandels wurden Afrikaner zwangsweise nach Europa und Amerika verschleppt. Jetzt ist es genau das Gegenteil: Afrikaner zwingen sich den Europäern und Amerikanern auf. Und Europa fürchtet sich zu Tode, weil sie noch nie so viele Afrikaner gesehen haben, die entschlossen sind, um jeden Preis Europa zu erreichen. Auch wenn das seltsam klingt: Ich werfe den Europäern nicht vor, dass sie Migranten abschieben. Die europäischen Staaten machen genau das, was den Interessen ihrer Bevölkerung entspricht.

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte während seines Gambia­besuchs im vergangenen Jahr, dass mindestens 35.000 Gambier in Deutschland leben, ein erheblicher Teil davon illegal. In Spanien und Italien dürfte die Zahl ähnlich hoch sein. Die USA geben ebenfalls an, dass mehrere Tausend Gambier vor der Abschiebung stehen. Dazu muss man wissen, dass Gambia nur zwei Millionen Einwohner hat. Aus meiner Sicht ist es okay, sie zurückzuschicken. Diese Länder haben keine Verantwortung für Gambier, auch nicht für deren Reintegration nach der Abschiebung. Das ist die Aufgabe meiner Regierung!

Die Lösung ist im Grunde einfach: Solange wir glauben, dass die Abschiebeländer oder die internationale Gemeinschaft verantwortlich sind für die Reintegration, so lange werden wir auch nicht die Probleme lösen, die zur Migration führen. Unsere Regierung hat es nicht vermocht, ein Umfeld zu schaffen, in dem junge Menschen bleiben wollen. Deswegen gehen sie. Aber als Land sollten wir zumindest bei ihrer Rückkehr dafür sorgen, ihnen endlich das zu geben, was sie dazu gebracht hat, Gambia zu verlassen.

Es gibt auch jeden Tag Gambier, die per Flugzeug das Land verlassen und auf dieselbe Weise zurückkehren. Sie sind in einer ökonomisch stabilen Lage, haben keinen Grund fortzugehen, weshalb man ihnen auch Visa erteilt. Von solchen Menschen muss es mehr geben, dafür müsste die Regierung sorgen. Dann wäre Reisen wieder ein Abenteuer und kein Leidensweg.

Migration ist so alt wie die Menschheit

Im Augenblick sehen die Dinge nicht gut aus. Als Journalist habe ich viele Geschichten über Rückkehrer gemacht. Eins haben alle gemeinsam: Es waren die jämmerlichen Lebensbedingungen, die sie dazu gebracht haben, zu der gefährlichen Reise aufzubrechen. Und diese Lebensbedingungen haben sich kaum geändert. Nach wie vor haben viele keinen Grund zu bleiben. Diese verzweifelten Rückkehrer kritisieren die Regierung und IOM dafür, dass sie nicht bekommen haben, was man ihnen vor der Rückkehr versprochen hat. Eine Gruppe von Rückkehrern hat das IOM-Büro in Gambia sogar mit Steinen beworfen.

Aber: Migration ist so alt wie die Menschheit. Es wird Zeit, dass wir die Schuld daran teilen und auch den Gewinn. Für Gambia heißt das: Jobs schaffen und die Löhne so erhöhen, dass die, die einen haben, davon anständig leben können. Für meine Kinder wünsche ich mir, dass sie auf legalem Wege und mit regulären Dokumenten die Welt bereisen können. Auch ich selbst würde gerne einmal Europa kennenlernen. Aber nicht auf dem „Backway“, sondern als ein Afrikaner, der in Würde einreisen darf.

Übersetzung: Silke Mertins

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17 Kommentare

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  • Würden wir hier jedermann, der Handel mit Profit mit Ländern des Trikonts treiben will, einen Anteil auch dort zu investieren, würde hier sofort ein Geschrei losgehen über den Verlust der Arbeitsplätze, die in Ländern mit geringeren Lohnkosten verlagert werden.

    Innerhalb des Kapitalismus ist auch das Problem des Trikonts nicht zu lösen.

  • Interessanter Artikel. Ich las mal, dass die Regierung befürchtet, dass die landwirtschaftliche Produktion sinken könnte, weil keiner mehr auf dem Land für wenig Geld arbeiten will und weil so viele das kleine Land verlassen wollen.

  • In wikipedia liest man zur gambischen Wirtschaft:



    "Gambia besitzt keine Bodenschätze, die sich wirtschaftlich erschließen ließen – Landwirtschaft, Tourismus und Fischerei sind die Haupterwerbszweige des Landes. Die Exporte – im Jahr 2016 geschätzt auf 120 Millionen US-Dollar – flossen 2016 zu ca. 48 Prozent nach China, zu ca. 27 Prozent nach Indien und zu knapp 9 Prozent in das Vereinigte Königreich. Im selben Jahr kamen 34 Prozent der Importe aus China. Das Land hat ein hohes Handelsbilanzdefizit, aufgrund der niedrigen Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Industrie. 2016 betrug es knapp 20 % der Wirtschaftsleistung. Um seinen Importbedarf zu decken, muss sich das Land hoch verschulden. Im Jahr 2016 betrug die Staatsverschuldung 116 % des BIP und war damit eine der höchsten der Welt.[45][46]

    Die Schätzungen für das Bruttoinlandsprodukt schwanken extrem je nach Wechselkurs. Kaufkraftbereinigt soll es 2016 3,38 Milliarden US-Dollar betragen haben. Das entspricht 1700 US-Dollar pro Einwohner. Andere Schätzungen liegen um 50 % niedriger. Damit zählt Gambia zu den ärmsten Ländern der Welt: 2003 belief sich der Anteil der Bevölkerung mit einem Einkommen von weniger als 1 US-Dollar pro Tag (nicht kaufkraftbereinigt) auf 59 Prozent.

    Es gibt in Gambia keine Wertpapierbörse.

    Im Global Competitiveness Index, der die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes misst, belegt Gambia Platz 117 von 137 Ländern (Stand 2017–2018).[47] "

    Mir ist nicht ersichtlich, wo hier die Verantwortung des Westens liegt?

    Vielmehr liegt die Armut mit am das Wirtschaftswacjstum auffressenden Bevölkerungswachstum, welches der Autor aber nicht erwähnt.

  • Der Autor versäumt es eine Hauptursache für die Armut in seinem Land zu benennen: das Bevölkerungswachstum von jährlich 3%!



    Wenn man also gleichzeitig durch Fleiss und good governance ein jährliches Wirtschaftswachstum von 3% hinbekäme, bleiben die Menschen doch genauso arm und häufig arbeitslos wie zuvor.



    Es ist auch nicht Aufgabe der IOM oder der Regierung, Jobs zu schaffen. Die Regierung schafft (hoffentlich) geeignete Rahmenbedingungen. Es sei denn man sucht sein Heil im Sozialismus.

    @Wolf Haberer:



    Was lässt Sie glauben, dass die skizzierten "vertraglich unumgehbaren Sonderverpflichtungen" nicht zu einem Verzicht auf Handel mit oder Investition in Gambia führen würde?

    • @notsocommon:

      Dazu müssten wir erstmal Handel mit Gambia betreiben.

      "Gambia ist für die deutsche Wirtschaft ein äußerst kleiner Absatzmarkt. Nachdem der Exportwert im Jahr 2016 auf nur etwa 8,3 Millionen Euro kam, betrug er im Jahr 2017 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes immerhin 11 Millionen Euro. "

      www.gtai.de/GTAI/N...l?view=renderPrint

  • Ich muss mich zuerst einmal bei dem Autor und meinen beiden Vorkommentatoren für die Differenziertheit bedanken. Ich denke ebenfalls, dass über die wirtschaftlichen Beziehungen in diesen Ländern am wirkungsvollsten beeinflusst werden kann. Die europäische Wirtschaft muss verstehen, dass sie in den Ländern, aus denen sie ihre Ressourcen und auch Teile der Produktion bezieht, in deren Infrastruktur investieren muss, und nicht reine kurzfristige Profitmaximierung, d.h. Unterstützung von War Lords, Korruption, Sklaverei, Kinderarbeit und ökologische Ausbeutung, betreibt. Dasselbe gilt ebenfalls im Inland... Und dafür gibt es neben steuern und Subventionen eben Gesetze, mit denen die Gemeinwohl Orientierung der Wirtschaft durchgesetzt wird. Langfristig gibt es nur loose-loose oder win-win-situationen, entweder die ressourcenreichen Gesellschaften gewinnen von internationaler Wirtschaft genauso wie wir, oder ihre Mitglieder machen sich auf den weg hierher. Entweder die Arbeitnehmer hier gewinnen von der starken Wirtschaft hier genauso, oder es wird zu sozialen Unruhen, Abschottung, Hass und Angst und letztendlich dann Krieg kommen.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    II.



    Die Kern-Bedingung, die deutsche Handelspartner im afrikanischen Raum eingehen sollen und somit die Grundlage für den Kurswechsel ist: Einseitiger Verzicht auf Gewinnmargen zugunsten der lokalen Entwicklung im jeweiligen Land. Als Anschubhilfe gleicht der deutsche Staat entstehende Gewinneinbußen teilweise durch Ausgleichszahlungen (Subventionen) aus.



    Die Umsetzung hat beispielhaft in Ländern zu beginnen, in denen Korruption ein begrenztes, überschaubares Problem darstellt und in denen ein Mittel- und Wissenstransfer nicht unwirksam versickert. Afrikaner sollten darüber hinaus in größerer Zahl als bisher eingeladen werden, Ausbildungen und Praktika in deutschen Firmen zu absolvieren. Die Zahl für Stipendien für Studenten an deutschen Universitäten soll ebenfalls erhöht werden.



    Irgendwer muss anfangen mit solchen stark lenkenden Maßnahmen und Beispiel geben. Kann sein, dass US-Amerikaner, Franzosen oder Chinesen sich an den Kopf fassen werden. Es kann aber auch sein, dass die Signale, die von solch einer nachhaltigen Wirtschaftsaußenpolitik ausgehen können, auch dort langsam verstanden werden

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Es klingt sehr vernünftig und durchdacht was Sie schreiben. Ich denke nur, dass das im Wesentlichen auch den Entscheidungsträgern in der deutschen EZ-Politik klar ist. Solange aber die deutsche Wirtschaft, wie auch die französische, britische, US-amerikanische, chinesische usw., von der Armut und Ungleichheit, der Gesetzlosigkeit und staatlichen Schwäche dieser Länder in großem Stil profitiert, werden unsere derzeitigen Regierungen nichts Grundlegendes ändern. Das scheint mir völlig offensichtlich. Mag es auch noch so viele Tote in Nordafrika und im Mittelmeer und migrationsbedingte Probleme in Europa geben (von den hier beschriebenen Konsequenzen für die Zurückgebliebenen und Heimkehrer ganz zu schweigen). Es bedürfte eines radikalen Wechsels in der Politik und großflächigen Austauschs des politischen Personals.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Ruhig Blut:

        Natürlich haben Sie Recht. Ohne einen Linksrutsch, nicht einen beliebigen, sondern den in eine bestimmte Richtung, bleibt alles mit großer Wahrscheinlichkeit realitätsferne Träumerei. Wir erleben allerdings als Zeitzeugen, wie die jahrzehntelang Stabilität generierenden Volksparteien (im guten wie im schlechten Sinne) ihre Bedeutung einbüßen und Klientelparteien und deren Politik im gleichen Zug an Bedeutung gewinnen. Außer der sehr starken Gefahr von rechts, mögen in Zukunft durch die Verwerfungen die hier und da entstehen vielleicht doch auch linke Positionen und Visionen von heute auf morgen sehr viel relevanter werden. Schon jetzt gilt: solange unser nicht-nachhaltiges System des Wirtschaftens, Produzierens und Handelns im Ganzen und global unangreifbar scheint, ist jede Maßnahme recht, die dem, auch innerhalb des Systems, irgend etwas entgegensetzen mag. Diese Dinge müssen, trotz momentaner Aussichtslosigkeit, für den Fall von Regierungsbeteiligungen vernünftiger Leute in zukünftigen, heute kaum voraussehbaren Konstellationen vorgedacht und somit parat gehalten werden

        • @61321 (Profil gelöscht):

          Das sehe ich ganz genauso.

        • @61321 (Profil gelöscht):

          Ein Linksrutsch wird da nicht kommen. Zumindestens nicht von der Linkspartei. Die bekommt doch schon Muffensausens wegen der Flüchtlinge. Und die 10 Milliarden, die die da spendieren wollen www.die-linke.de/f...ierungskonzept.pdf sind auch nur ne Lachnummer.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    I.



    Bemerkenswerter Bericht. Fragen wir uns also, was wir hier tun sollten, damit die Wünsche des Autors keine Luftschlösser bleiben. Es kann nur um einen radikalen Paradigmenwechsel unserer Wirtschaftsbeziehungen gehen.



    Forderung: Einrichtung eines Ministeriums, das das alte Ministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung ablöst. Es soll für die Ausgestaltung von Wirtschaftsbeziehungen zu wirtschaftlich bedeutend schwächeren Ländern verantwortlich sein, und zwar dahingehend wirkend, dass, wer Handel mit diesen Ländern, bzw. mit Geschäftspartnern dort treibt oder wer dort produzieren will, vertraglich unumgehbare Sonderverpflichtungen eingeht, die der nachhaltigen Entwicklung der Verhältnisse in jenem Land direkt zu Gute kommen. Das betrifft den Ausbau der Bildung, als auch der Infrastruktur und evt. auch Wissens- und Technologietransfer. Das Ministerium hat entsprechende Musterverträge für die jeweiligen Geschäftspartner auszuarbeiten, die als Direktiven anzusehen und grosso modo anzuwenden sind. Eine ständige Kommission aus Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen und Wirtschaftsexperten arbeitet aus und evaluiert, was unter "nachhaltiger Entwicklung" zu verstehen ist. Soziale und ökologische Kriterien haben dabei im Vordergrund zu stehen.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Sie meinen sonst dürfen Firmen aus bspw. Gambia mit Firmen hier keinen Handel treiben?

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Dürfen dürfen die alles. Verbieten kann man niemandem was. Es wäre allein an uns, für Geschäftspartner aus Gambia die besseren Bedingungen anzubieten, damit sie nicht mit Putin oder den Saudis unter schlechteren abschließen. Andere Verträge mit Deutschen mit anderen, weniger vorteilhaften Bedingungen aus gambischer Sicht sollten allerdings bei uns tatsächlich gleichzeitig ausgeschlossen sein.



        Die Krux: gambische Geschäftsleute profitierten gar nicht direkt vom Vorteil solcher Deals, denn der soll ja der gambischen Gesellschaft im Ganzen zu Gute kommen. Daher fehlt eventuell ein wichtiger direkter Motivationsanreiz.



        Das Verhalten des gambischen Staates und die politischen Verhältnisse dort spielen eine zentrale Rolle. Ist der gambische Staat selbst der Geschäftspartner, muss von uns aus darauf geachtet werden, dass der Mehrnutzen durch ungleiche Verträge (in umgekehrter Anlehnung an die "Ungleichen Verträge" der Endphase des chinesischen Kaiserreichs) an die gambische Gesellschaft sinnvoll weiter gereicht wird. Sind es gambische private Geschäftsleute, fällt dementsprechend der gambischen Administration die Rolle der richtige Verwendung und die primäre Kontrolle darüber des Mehr-Erwirtschafteten zu, und uns wiederum die Endkontrolle. Stabile politische Verhältnisse in Gambia mit einem robusten demokratischen Grundgerüst und Rechtssicherheit sind unabdingbare Vorraussetzung für alles

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Danke für diesen Artikel.



    Ich wünsche mir auch die Begegnung mit Afrikanern auf Augenhöhe und nicht z.B. später im Pflegeheim als aus der Heimat gerissene billige Arbeitssklaven.



    Dann sollen lieber deutsche Firmen dort investieren und ausbilden und ich bürge gern mit meinen Steuern.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Sobald die dortigen Bewohner ausreichend qualifiziert sind, die Jobs zu machen, verlegen deutsche Unternehmer bestimmt gerne alle möglichen Arbeitsplätze ins Ausland, wenn man da billiger produzieren kann.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Und das Ganze noch mit Umweltschutz und Recyclingtechnik und internationalem Bildungsaustausch und sozialvertraeglichem Tourismus. Bin sofort dabei, es kann Steuergeld ja mal sinnvoll eingesetzt werden.