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DANIELA WEINGÄRTNER ÜBER EINEN EU-KOMMISSAR NAMENS OETTINGERNach Brüssel abgeschoben

Europa liegt Angela Merkel besonders am Herzen. Sagt sie. Deshalb soll Deutschland in der neuen EU-Kommission durch einen Mann vertreten werden, den die Medien als ausgewiesenen Steuer- und Finanzexperten bezeichnen. Günther Oettinger könnte László Kovács als Steuerkommissar beerben. Leider bietet das Amt aber wenig Gestaltungsspielraum, da bei Steuerfragen alle 27 Mitgliedsländer einstimmig entscheiden.

Auch als Fachmann für Fremdsprachen hat sich Baden-Württembergs Ministerpräsident einen Namen gemacht. Er beherrscht zwar nur Stakkato-Schwäbisch und spricht weder Englisch noch Französisch präsentabel. Doch will er Englisch in Deutschland als Verkehrssprache einführen, Deutsch und Schwäbisch sollen Nischensprache fürs Private werden. Das brachte ihm 2006 den Titel „Sprachpanscher des Jahres“ ein. Schade, dass der Posten des Kommissars für Sprachenvielfalt als Verlegenheitsressort gilt. Oettinger wäre dafür prädestiniert.

Da Angela Merkel keinesfalls den Verdacht aufkommen lassen wird, sie wolle einen gut vernetzten Parteifreund nach Brüssel schieben, weil sie seiner Loyalität nicht sicher sein kann, muss sie sich um ein etwas glanzvolleres Ressort für Oettinger bemühen. Da bietet sich der Posten des Industriekommissars an. Oettinger will beispielsweise die Laufzeiten von AKWs verlängern und die Autoindustrie nicht mit Klimazielen quälen. Eine ideale Grundhaltung für den Nachfolger von Günter Verheugen.

Die Frage, was Merkel sich bei dieser Personalie wohl gedacht hat, mündet in die Erkenntnis, dass sie zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen vermochte: einen lästigen parteiinternen Gegner fortzuloben, damit er Deutschlands Interessen auf europäischer Ebene wirksam vertrete.

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