: Grüne sammeln Geld für Imame
Wie kann der Einfluss ausländischer Imame begrenzt werden? Die Grünen in Niedersachsen fordern eine Landesstiftung, um in Deutschland ausgebildete Imame zu fördern. Wissenschaftsminister Thümler (CDU) will die Imam- und Religionslehrerausbildung koppeln
Von Jean-Philipp Baeck
Der Islam mag zu Deutschland gehören, der Imam tut es noch lange nicht. So flapsig könnte man das Phänomen beschreiben, über das aktuell in Niedersachsen diskutiert wird. Denn rund 80 Prozent aller Imame in Deutschland werden aus dem Ausland geschickt und bezahlt, erklärt Bülent Ucar, Direktor des Instituts für Islamische Theologie in Osnabrück. Er fordert, dass der Staat einspringt, wenn er nicht wolle, dass die Geistlichen insbesondere von der Türkei abhängig seien.
Ucar ist dabei selbst Akteur: Ein Weiterbildungsangebot für Imame an seinem Institut ist kürzlich ausgelaufen. Es war die einzige Möglichkeit, sich in Deutschland nach dem Theologiestudium in einer zweiten, praktischen Ausbildungsphase für den Dienst in einer Moschee zu qualifizieren. Seit 2010 wurden 150 islamische Theologen in Osnabrück weitergebildet.
Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) erklärte, die Nachfrage dafür habe stark nachgelassen. Das Institut für Islamische Theologie selbst werde von der Landesregierung mit insgesamt 1,43 Millionen Euro jährlich finanziert. Thümler schlug vor, die Imam- und Religionslehrerausbildung zu koppeln. Interessierte sollten nach Abschluss des Islam-Studiums für den Einsatz an Schulen eine pädagogische Weiterbildung erhalten. Für den Einsatz als Imam bedürfte es eines weiteren Ausbildungsteils, der von islamischen Religionsgemeinschaften angeboten werden müsste. SPD und FDP im Landtag signalisierten Unterstützung für dieses Modell.
Der Landesverband der niedersächsischen Grünen machte nun einen weitergehenden Vorschlag. Demnach soll dass Land die Gemeinden finanziell dabei unterstützen, in Deutschland ausgebildete Imame einzustellen, dafür eine Landesstiftung gründen und zunächst 500.000 Euro beisteuern.
„Die Gemeinden leben ausschließlich von Spenden und können daraus kein eigenes Personal vollständig bezahlen“, erklärte der Grünen-Landesvorsitzende Stefan Körner. Es sei ein „erhebliches Integrationsprobem“, dass von der türkischen Religionsbehörde Imame in die Ditib-Moscheen in Deutschland entsandt werden.
„Die Imame sprechen oft zu wenig Deutsch und kennen Kultur und Situation im Land nicht“, sagte Körner. Sie könnten so nicht Leitfiguren für die bessere Integration von Menschen muslimischen Glaubens in unsere Gesellschaft und erst recht nicht für eine europäische Auslegung des Islam sein.
Man wolle Gemeinden nichts vorschreiben. Für Zuschüsse zu den Personalkosten müsse der Imam dann aber mindestens einen erheblichen Teil seiner Ausbildung in Deutschland absolviert haben. Das heißt wiederum für die Grünen nicht, dass Imame vom Staat bezahlt werden. Ein Vergabegremium der Stiftung wäre paritätisch aus VertreterInnen des Landes und der islamischen Organisationen besetzt. Die Trennung von Staat und Religion wäre so „in vollem Umfang sichergestellt“.
Kirsten Wiese ist da skeptisch. Die Bremer Rechtswissenschaftlerin ist im Bundesvorstand der religionskritischen Humanistischen Union – und selbst bei den Grünen. Sie betont: „Es ist auf jeden Fall verfassungsrechtlich problematisch. Es gilt das Gebot der Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften.“
Auch Wiese sagt, man müsse abwägen, weil es auch um Integrationspolitik geht. „Als Humanistische Union lehnen wir die staatliche Finanzierung von Religionsgemeinschaften grundsätzlich ab. Allerdings muss man sehen: Der Staat ist vielfältig finanziell an den Religionsgemeinschaften ‚beteiligt‘.“ Der Staat finanziere an einigen Universitäten ein Studium der islamischen wie der katholischen und evangelischen Theologie. Dort würden Imame und Priester ausgebildet.
Rund 2.000 Imame sind laut dem Osnabrücker Institut für Islamische Theologie in Deutschland tätig, 150 davon in Niedersachsen.
80 Prozent der Imame kommen demnach aus dem Ausland und werden von dort bezahlt, vor allem aus der Türkei.
In Osnabrück wurden seit 2010 etwas 150 Imame ausgebildet – finanziert durch Drittmittel und seit 2014 mit 150.000 Euro durch das Land Niedersachsen.
Selbst Zuschüsse zur Arbeit von Geistlichen seien nicht gänzlich ohne Präzedenz, sagt Wiese: „Bis 2012 hat Bayern die Bischofsgehälter finanziert.“ Bei Zuschüssen für Imame gehe es auch darum, Radikalisierungstendenzen vorzubeugen. Das Anliegen könne für den Staat deshalb religionspolitisch Sinn ergeben.
Für Hans Michael Heinig, Professor für Staatskirchenrecht in Göttingen, ist im Prinzip denkbar, dass der Staat das Personal religiöser Organisationen subventioniert. Die Grundsätze der Religionsfreiheit und staatlichen Neutralität müssten allerdings gewahrt bleiben. „Eine gezielte Einflussnahme staatlicher Stellen auf die theologische Ausrichtung einer Gemeinde über Finanzierungsentscheidungen, wie sie die Grünen nun vorschlagen, verstieße gegen das Grundgesetz“, sagt er.
Und Bülent Ucar? Der Islamwissenschaftler hält das Konzept der Grünen für „wenig durchdacht“. Eine Stiftung sei zu statisch, die angedachte Summe von 500.000 Euro zu klein. Er bezweifelt, dass islamische Gemeinschaften das Angebot annehmen. Verfassungsrechtlich problematisch sei die Idee, weil der Staat in dem Modell zu stark mitwirken könne.
Ucar präferiert dagegen den Vorschlag des Wissenschaftsministers. Dass sich aber etwas ändern müsse, sei klar. „Wir brauchen Imame, die in Deutschland sozialisiert sind, weil nur sie die neue Generation der Muslime erreichen“, sagt er. „Mit Imamen, die als Gastarbeiter in Deutschland sind, wird man das Problem nicht angehen können.“
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