Torben Becker sichtet die sozialen Bewegungen der Stadt:
Seit Monaten versammelt die Seebrücken-Bewegung unzählige Menschen auf den Straßen. Vor wenigen Wochen nahmen allein in Hamburg 25.000 Menschen an der Antirassismus-Parade „We’ll come united“ teil und zuletzt demonstrierten 50.000 für den überfälligen Kohleausstieg. Was haben all diese Proteste gemeinsam? Thematisch mögen sie unterschiedlich gelagert sein. Was sie jedoch verbindet, ist die Utopie einer solidarischen Gesellschaft. Utopien mögen unerreichbar scheinen, können jedoch richtungsweisend sein. Darin liegt ihre Stärke. Und neben flirrender #wirsindmehr-Gefühle sind die Errungenschaften der sozialen Bewegungen allein in diesem Jahr beachtlich. Der Hambi besteht erst mal fort. Für die sichere Aufnahme von Geflüchteten setzen sich Tausende Menschen ein und bauen Seebrücken. Und immer mehr Menschen stellen sich in den Weg der vorvorgestrigen Braunblauen. Auch diese Woche wird in Berlin gezeigt, dass Solidarität Konjunktur hat.
Am Samstag findet die #unteilbar-Demo statt. Zehntausende werden erwartet. Im Aufruf heißt es, dass gegen Rassismus und Menschenverachtung protestiert wird, die im politischen Diskurs zunehmend gesellschaftsfähig geworden seien. #unteilbar soll zeigen, dass Menschenrechte nicht verhandelbar sind. Dafür muss auch das Engagement der vielen sichtbar gemacht werden, die in Willkommensinitiativen, Organisationen von und für Geflüchtete, Verbände oder in queer-feministischen Bewegungen aktiv sind (13. 10., Alexanderplatz, 12 Uhr).
Dass Rassismus darüber hinaus ein institutionelles Problem ist, wird am Samstagabend im Zielona Góra diskutiert. Antirassismus muss ein politisches Echo auch in Behörden und staatlichen Institutionen haben, denn nur so können rassistisch motivierte Verbrechen aufgeklärt werden. Das zeigte nicht zuletzt der NSU-Prozess (13. 10., Grünberger Straße 73, 20 Uhr).
Im Anschluss an das Wochenende ruft die Initiative Corasol am Montag vor dem Brandenburger Tor zu einer Gedenkkundgebung für die Toten der europäischen Abschottungspolitik auf. Denn allein in diesem Jahr sind über 1.700 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Die Dunkelziffer wird weitaus höher sein (15. 10., Brandenburger Tor, 16 Uhr).
Am Dienstagabend werden im Zielona Góra in der Diskussionsveranstaltung „Externalisierung der EU-Grenzen in Afrika“ die Zusammenhänge zwischen europäischen Außengrenzen und unserem alltäglichen Leben besprochen (16. 10., Grünberger Straße 73, 19 Uhr) – eine Woche also im Zeichen des Antirassismus und der Solidarität.
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