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Schlachtfeld Facebook

Kambodschas Regierung und Opposition kämpfen um die Macht in den sozialen Medien

Von Ben Sokhean

Vor Kambodschas letzten Wahlen am 29. Juli, die westliche Regierungen als „weder frei noch fair“ kritisierten, postete Premierminister Hun Sen bei Facebook Hunderte Selfies mit TextilarbeiterInnen. Der frühere Kommandeur der Roten Khmer, der das Land seit 33 Jahren regiert, nutzte Face­book zur Wahlwerbung. Seine Face­book-Live-Videos erreichten Zehntausende. Seine Seite hat 10 Millionen „Likes“.

Doch Hun Sen, der auch Vorsitzender der regierenden Volkspartei (CPP) ist, wird vorgeworfen, sich viele Likes gekauft zu haben. Er soll Personen aus Indien, den Philippinen und Myanmar dazu benutzt haben, gefälschte Accounts zu schaffen. Hun Sen hat das abgestritten.

Sein wichtigster politischer Rivale, Sam Rainsy, lebt im Exil. Ihm drohen in seiner Heimat Anklagen, die nach Meinung vieler politisch motiviert sind. Sein Vorwurf, Hun Sen habe Likes“gekauft, brachte ihm eine Anzeige wegen Diffamierung ein. Hun Sen hatte kaum soziale Medien genutzt, bis Sam Rainsy bei der Wahl 2013 dank Facebook viele Unterstützer mobilisieren konnte.

Die sozialen Medien ermöglichen es den WählerInnen, „direkt am demokratischen Prozess teilzunehmen“, sagt Moeun Chhean Nariddh, Direktor des kambodschanischen Instituts für Medienstudien. „Kontrolliert ein Politiker Zeitungen, Radio, Fern­sehen und soziale Netzwerke mehr als ­andere, ist er klar im ­Vorteil.“

Hun Sens Facebook-Kampagne fand vor dem Hintergrund des Verbots der wichtigsten Oppositionspartei und der Inhaftierung ihres Vorsitzenden Kem Sokha statt. Da die Nationale Rettungspartei von den Wahlen ausgeschlossen war, nutzte die Opposition die sozialen Medien, um zum Wahlboykott aufzurufen. Die regierende Volkspartei gewann denn auch alle 125 Parlamentssitze, aber fast 600.000 Stimmen (8,5 Prozent) waren ungültig. Das waren mehr, als die zweitplatzierte Partei Funcinpec erhalten hatte. Sie kam auf 6,8 Prozent. Es war die höchste Zahl ungültiger Stimmen seit 1993.

Einige Analysten führen dies auf die Facebook-Kampagne der Opposition zurück. Kurz vor der Wahl hatte die Regierung eine Web-Monitoring-Gruppe eingerichtet. Die sollte die sozialen Netzwerke beobachten, „um die Verbreitung von Informationen zu verhindern, die zu sozialem Chaos führen und die nationale Sicherheit gefährden könnten“.

Menschenrechtsgruppen werteten dies als Einschränkung der Meinungsfreiheit. Bürger wurden denn auch für ihre in sozialen Medien geäußerten Ansichten bestraft. Ein Mann wurde an seinem Hochzeitstag verhaftet, weil er die Regierung auf Face­book als „autoritär“ bezeichnet hatte. Andere wurden wegen „Beleidigung des Königs“ inhaftiert. Der Kommentator Meas Nee sagt, wegen der Restrik­tionen der Regierung sei es schwierig, seine Meinung frei zu äußern. „Ich glaube, dass die sozialen Medien die Wahl ­beeinflusst haben“, sagt er. Doch seien Daten schwer zu ermitteln, da Klagen wegen Anstiftung zum Aufruhr drohten, wenn man Wähler befrage.

Ben Sokhean, 26, ist Reporter der Phnom Penh Post.

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