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Bunter Trip durch die Anderswelt

Geistergeschichten erzählt der Künstler Johann Büsen in großformatigen Drucken, die an Comics erinnern, in einer aktuellen Ausstellung. Dauerhaft zu sehen ist sein Werk im Kunsttunnel in den Wallanlagen

Wesen und drohende Katastrophen Bild: Johann Büsen / Galerie Mönch

VonJan-Paul Koopmann

Diese Bilder erzählen Geschichten, jedenfalls das ist klar. Sie sind oft traurig und ein bisschen gruselig – aber auch wirklich nur so sehr, wie der Ausstellungstitel „Ghost Stories“ vermuten lässt. Aber worum es eigentlich gehen soll in diesen Geistergeschichten, bleibt einigermaßen unklar. Es sind mit Figuren vollgestopfte Szenen: Reineke Fuchs liegt krank auf dem Bett, drumherum andere Tiere, aber auch Menschen, die bestürzt ihre Gesichter in den Händen vergraben. An den Wänden sind alchemistische Symbole zu entdecken, einmal rund ums Krankenlager hat wer einen Bannkreis gezogen. Vom Himmel regnet es Flammen und irgendwelche weißen Schnipsel, über dem kranken Fuchs kreisen geisterhaft durchschimmernde leuchtende Formen – und fertig beschrieben ist das Bild damit lange noch nicht.

Die Drucke sind zurzeit in der Oberneuländer Galerie Mönch zu sehen. Johann Büsen, der sie gemacht hat, kennt man in Bremen allerdings von einem anderen Ort: Vergangenes Jahr hat Büsen den „Kunsttunnel“ zwischen Weser und Kunsthalle zum Streetartprojekt „Rabbit Hole“ umgestaltet. Auch das eine hochgradig narrative Arbeit, deren angedeutete Geschichten stets irgendwo einen halben Schritt jenseits der Wahrnehmung des Publikums stattfinden.

Die „Ghost Stories“ zeigen nun etwas, das sich nach den Schlüsselszenen solcher Geschichten anfühlt: oft Zusammenkünfte verschiedener Wesen, in bedeutungsschwerer Pose, in der sich drohende Katastrophen abzeichnen. Übernatürliches spielt häufig eine Rolle: Rituale, Beschwörungen, eine magisch belebte Natur. Dass all dies so vertraut wirkt, obwohl es in sichtlich fremden Welten geschieht, liegt daran, dass Sie das eine oder andere Motiv tatsächlich schon gesehen haben werden. Büsen durchpflügt die Popkultur, von Filmen über Computerspiele und Comics bis zu alten Illustrationen bekannter Geschichten. Aus diesem Archiv arrangiert er seine oft großformatigen Arbeiten in Schwarz-Weiß und koloriert sie dann digital in extremen Kontrasten.

Asiatische Geistermasken treffen auf mittelalterliche Mystik

Das Resultat wirkt auch außerhalb des Kunsttunnels wie Streetart, ein bisschen wie von Comic-Großmeister Moebius – und trägt dabei auch noch die Spuren all der ausgeplünderten Quellen. Mitunter ist das witzig, wenn man sich etwa beim Anblick eines exotischen Relikts (Frosch auf steinerner Stele in Miniatur) unweigerlich fragt, ob das ein PEZ-Bonbonspender ist – einfach nur, weil man Büsen auch das zugetraut hätte.

Doch lassen sich seine Arbeiten nicht auf diese Suche nach Bekanntem reduzieren. Es ist ein berauschter Trip durch die heute globalisierte Anderswelt: Asiatische Geistermasken (geklaut vom japanischen Filmstudio Ghibli) treffen auf mittelalterliche Mystik, europäische Märchen und digitalisierte Zukunftsvisionen von werweißwo. Was von irgendwo knapp unter der Oberfläche durch diesen Wust an Motiven strahlt, ist die Kraft von Geschichten. Selbst von unvollständig erzählten. Wirklich alles, jede Figur, jedes Objekt, sogar jedes Geschehen tut, als wäre es ein Symbol und will entschlüsselt werden. Und da bedienen sich die Arbeiten eben nicht länger am Arsenal der Popkultur, sondern direkt am Unbewussten der Betrachter*innen – an den Gruselgeschichten, die sie selbst mit in die Galerie gebracht haben.

Bis 28. 10., Galerie Mönch, geöffnet sonntags 16 bis 19 Uhr oder nach Absprache

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