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Jagd auf Nutrias in NiedersachsenUntermieter im Deich

Niedersachsen will Nutrias auch jagen, wenn sie trächtig sind oder Junge haben – für den Hochwasserschutz. Tierschützer kritisieren das.

Gräbt gern Tunnel in Deiche: Nutria Foto: dpa

Hannover taz | Niedersachsen will Nutrias jagen – auch dann, wenn die Tiere trächtig oder Junge von ihnen abhängig sind. Zudem sollen nicht nur Jäger die Tiere töten dürfen, sondern auch Menschen ohne Jagd- und Fallenschein. Die große Koalition aus SPD und CDU will so die weitere Ausbreitung der aus Südamerika stammenden Nagetierart in Niedersachsen verhindern. Nutrias graben ihre Tunnelsysteme gern in Deiche und werden so zum Sicherheitsproblem bei Hochwasser. Tierschützer kritisieren die Aufhebung des Elterntierschutzes.

In den Niederlanden werden die zehn Kilo schweren Tiere von Berufsjägern in Lebendfallen gefangen und mit Luftgewehren erschossen. Das Land gibt dafür rund zwei Millionen Euro jährlich aus, Elterntierschutz gibt es nicht. „Das hört sich erst einmal grausam an“, sagt Henk Post von der niederländischen Wasserbehörde im Agrarausschuss. Nutrias bekommen zwei- bis dreimal im Jahr Junge. Sie sind also einen Großteil des Jahres trächtig oder kümmern sich um den Nachwuchs.

Festzustellen, ob ein Nutria Junge säuge, sei schwierig, sagt Post. Die Zitzen säßen im Fell. „Man kann sie nur fühlen und die Nutrias haben sehr scharfe Zähne.“ Wenn man die Muttertiere danach wieder aussetze, zeigten sie den Jungen, wie sie die Fallen meiden können.

In Niedersachsen wurden in der aktuellen Jagdsaison 24.000 Nutrias getötet. Wie groß die Population ist, ist unklar. Selbst im Celler Schlosspark und auf Langeoog wurden Nutrias entdeckt. Godehard Hennies vom Wasserverbandstag hat deshalb an das Land appelliert, die Tiere noch stärker zu bejagen und hierfür Geld zur Verfügung zu stellen. „Das ist günstiger als nachher teuer gebaute Deiche wieder reparieren zu müssen“, sagt Hennies. „Es geht um Menschenschutz.“

Die abhängigen Jungen dürfen nicht leiden

Dieter Ruhnke, Tierschutzbund

Dieter Ruhnke vom Deutschen Tierschutzbund sieht die Aufhebung des Elterntierschutzes dennoch sehr kritisch. Voraussetzung müsse sein, dass „die abhängigen Jungtiere nicht leiden und elendig verhungern“. Wenn das Muttertier getötet würde, müssten die Jungen im Bau gesucht werden. Da Hobbyjäger das nicht leisten könnten, fordert Ruhnke mehr Berufsjäger.

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2 Kommentare

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  • Also: Naturschutz, nicht unbedingt Tierschutz. Beide sind nicht das Gleiche. Die TAZ-Redakteurin hat vielleicht die Argumentation der "Tierschützer" ein wenig zu kurz dargestellt, und aus "Naturschützern" "Tierschützer" gemacht ...

  • "Zudem sollen nicht nur Jäger die Tiere töten dürfen, sondern auch Menschen ohne Jagd- und Fallenschein" : so werden versehentlich, besonders von Fällen noch mehr geschützte Tiere getötet: Bibers, Fischotters, Wasservögel.

    Die Regulierung der Nutriasbevölkerung durchs Jagen ist ein schon verlorener Krieg, da die Art eine unerschöpfliche Vermehrungsfähigkeit besitzt (K-Fortpflanzungsstrategie). In Frankreich z. b. wo Jagd sehr intensiv und fast ohne Genehmigung geführt wird (Millionen Tiere jährlich erschossen oder gefangen), hat es sich als zwecklos erwiesen.

    Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Bevölkerung sich mehr oder weniger von sich selbst stabilisiert, wenn die optimale Bevölkerungsdichte erreicht ist, je nach den verschiedenen Biotopen zwischen 3 und 20 Tiere pro Hektar, und dass die natürliche Regulierungsfaktoren (viel wirksamer als Jagd) folgende sind:



    - lange, kalte Winter : das hat etwas mit dem Klimaschutz zu tun ...



    - Prädation der Jungtiere (Erwachsene Tiere haben kaum natürliche Feinde) durch Raubvögel, Füchse, Illtisse, manchmal auch Fischotters : das hat mit erhaltener Biovielfalt zu tun.



    - wenn günstige Standorte die maximale Tierdichte erreicht haben oder fehlen. Die Art braucht stehendes Gewässer und ... ... Deiche! Fliessende Gewässer, überschwemmungsgebiete mag sie nicht : das hat mit Renaturierung und Naturnähen Ökosystemen zu tun.



    Also, wie oft mit "Invasive species" ist Verarmung und Störungen vom Ökosystem Hauptursache der Verbreitung, nicht umgekehrt. Das Geld und die Mühe, die zwecks "blutiger" Regulierung eingesetzt werden, würden besser zur Renaturierung verwendet.



    Wie meistens in solchen Fällen sollten weder Blutgier (als primive Reaktion vor einer "problematischer Art) noch Gefühlsduselei entscheiden, sondern wissenschaftliche Kenntnisse und Bewertung der Lage.