Kolumne Flimmern und Rauschen: Die Verlegerklagen sind verstummt
Das Prinzip Zeitung und die Öffentlich-Rechtlichen sind zurück im Verlegerherz: BDZV-Chef Döpfner spricht beim Kongress des Verbands.
F rüher traten bei Verlegerkongressen gerne die Klagemänner auf (Zeitungen sind in Deutschland nämlich ihres grammatikalischen Geschlechts zum Trotz immer noch sehr männlich), also Herren in mehr oder minder gut sitzenden Anzügen, wobei in Sachen Farbe Anthrazit schon als knallig empfunden wurde.
Daran hat sich bis heute wenig geändert – nur das Klagen ist seltsam verstummt. Das hat auch mit Springer-Chef Mathias Döpfner zu tun, der den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) seit einiger Zeit führt. Vergangenes Jahr hatte Döpfner seiner Truppe mal gezeigt, wie man richtig klagt, vor allem über die öffentlich-rechtlichen Marktverzerrer und ihre ungebremste Expansion. Jetzt, nach geschlossenem Burgfrieden, nur so viel: „Ich bin zuversichtlich, dass es zukünftig deutlich weniger Eingriffe der Rundfunkanstalten in die Märkte der Presse geben wird und sich stattdessen mehr Möglichkeiten für gemeinsame Aktivitäten auftun“, sagte Döpfner – nicht mal in seiner großen Kongressrede, sondern per Pressemitteilung vom Vortag.
Dem „neuen gemeinsamen Geist“ mit den also unbeschadet ins Verlegerherz zurückgekehrten Öffentlich-Rechtlichen – gemeint war übrigens recht eigentlich nur die ARD – können derzeit nicht mal die leicht polterigen Ansagen aus deren Gremienkreisen zum Herzstück der Einigung etwas anhaben: Künftig soll ja bei zu viel gefühltem Eingriff und Presseähnlichkeit öffentlich-rechtlicher Onlineangebote eine von Intendanzen und BDZV-Chefetage gemeinsam besetzte Schlichtungsstelle vermitteln. Die Gremienvorsitzenden hatten Mitwirkung daran dankend abgelehnt und darauf gepocht, dass sie Entscheidungen dieser Schlichtungsstelle nicht als bindend ansehen. Macht nichts, heißt es dazu entspannt in BDZV-Kreisen, wenn künftig Fälle à la „tagesschau“-App vor Gericht landeten, lehre die Erfahrung, dass RichterInnen gern Sprüche solcher Schlichtungsstellen übernähmen und damit verbindlich machten.
Und so konnte Döpfner grundsätzlich werden und das Prinzip Zeitung im Vergleich zu Social Media erklären: „Das Prinzip Zeitung ist nicht sozial, hier entscheidet keine anonyme Masse darüber, was geteilt, gesendet, oder geliked wird. Hier übernimmt ein klar gekennzeichneter Absender Verantwortung“. Und das stimmt ja auch. Ein bisschen Moll war die Rede trotzdem, weil es auch um den Kotau der Netzgiganten vor Chinas Zensurwünschen ging, die das Gegenteil von Meinungsfreiheit sind und letztlich auch Auswirkungen auf die westlichen Demokratien haben, weshalb man sich politische Schützenhilfe wünschte.
Die sicherte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) als politischer Kongresspart zu – und versprach auch die 46 Millionen Euro pro Jahr zu schultern, die den Verlegern mit der Ermäßigung des Arbeitgeberanteils bei den Minijob-Renten für ZeitungszustellerInnen zuteilwerden sollen. Ach so: Und die alte Leier, dass man auf keinen Fall öffentliche Kohle für die Branche wolle – auch so ein BDZV-Kongress-Evergreen – blieb dieses Jahr auch im Schrank. Ein Schelm, wer Arges …
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