Autokratischer Präsident abgewählt: Wende auf den Malediven
In dem Inselstaat gelingt der demokratischen Opposition ein so überraschender wie deutlicher Wahlsieg. Das ist ein Rückschlag für China.
BERLIN taz | Die Wahlen am Sonntag auf den Malediven haben überrascht. Am Wahltag zunächst die Wahlbehörden des bei Touristen beliebten Staates aus 1.200 Inseln im Indischen Ozean. Denn die Behörden hatten überhaupt nicht mit so einem großen Andrang gerechnet. So mussten die Wahllokale schließlich drei Stunden länger geöffnet bleiben, um bei einer Wahlbeteiligung von 89,2 Prozent allen die Stimmabgabe zu ermöglichen.
Und dann erst das Ergebnis: Völlig überraschend und von vielen nicht für möglich gehalten gewann der Präsidentschaftskandidat des Oppositionsbündnisses, Ibrahim Mohamed Solih, von der Demokratischen Partei mit 58,3 Prozent.
Der 54-jährige Solih ist ein Weggefährte des früheren Präsidenten Mohamed Nasheed. Der war der erste demokratisch gewählte Präsident des Landes. Er wurde 2012 in einem dubiosen Putsch gestürzt und wegen „Terrorismus“ zu 13 Jahren Haft verurteilt. Später konnte er aber das Land verlassen.
Der jetzt abgewählte Präsident Abdulla Yameen, der seit 2013 autoritär regierte, hat viele Kritiker ins Gefängnis werfen lassen. Darunter war sogar sein Halbbruder und früherer Verbündeter Maumoon Abdul Gayoom. Der hatte das Land selbst 30 Jahre autoritär regiert.
Yameen hatte eigentlich alles unter Kontrolle
Auch zwei Richter des Obersten Gerichtshofes, die Yameens Vorgehen gegen die Opposition nicht mittragen wollten, ließ dieser zu Jahresanfang nach Verhängung eines 45-tägigen Ausnahmezustands verhaften.
Der 58-jährige Yameen hatte bei der Wahl jetzt nicht nur die Wahlkommission unter seiner Kontrolle, sondern auch die Medien. Unabhängige Wahlbeobachter gab es nicht.
Die USA und EU hatten sich geweigert, Beobachter zu entsenden, weil die Regierung keine Mindeststandards anerkennen wollte. Im Falle von Wahlbetrug drohten Washington und Brüssel mit Sanktionen. Der unabhängigen asiatischen Wahlbeobachtergruppe Anfrel verweigerte die Regierung die Einreise.
Um seinen prognostizierten Sieg weiter abzusichern, hatte Yameen noch am Vorabend des Urnengangs für Stunden die Wahlkampfzentrale der Opposition von der Polizei aus fadenscheinigen Gründen durchsuchen lassen. Dies sollte einschüchtern und ließ befürchten, dass die Wahlen manipuliert werden sollten. Doch all das half Yameen nicht.
Solih schafft das Wunder
Denn mit der Auszählung wurde am Montag klar, dass der Oppositionskandidat Solih ein Wunder vollbracht hatte. Seine Anhänger tanzten auf den Straßen.
Als erstes erkannte die von Yameen ernannte Wahlkommission Solihs überraschenden Sieg an. Dann schließlich das Außenministerium. Und erst am Abend, als sich immer mehr Bürger Sorgen machten, räumte auch der unterlegene Yameen seine Niederlage ein. Die war auch einfach viel zu deutlich. „Ich weiß, dass ich zurücktreten muss“, erklärte Yameen und versprach die Machtübergabe zum 17. November.
Die überwiegend muslimischen Wähler des strategisch im Meer gelegenen Inselstaats mit 400.000 Einwohnern haben jetzt klargemacht, dass sie keine autoritäre Regierung mehr wollen, sondern einen demokratischen Neustart. Solih hatte neben demokratischen Reformen vor allem die Bekämpfung der Korruption versprochen.
Er steht aber auch für eine ausgeglichenere Außenpolitik. Unter Yameen sind die Malediven stark unter den Einfluss Chinas geraten. Peking hat dem Inselstaat rund zwei Milliarden Dollar an Infrastruktur- und Tourismusinvestitionen versprochen. Der traditionelle Verbündete Indien geriet so ins Hintertreffen.
Solih will sich nun wieder um eine Verbesserung des Verhältnisse zu Delhi bemühen. Zwar wird Indien keine chinesischen Großinvestitionen ersetzen können, aber das Beispiel des benachbarten Sri Lanka zeigt, wie eine hohe Schulden bei China zur Einschränkung der eigenen Souveränität führen kann.
Die Regierungen von Indien und den USA gratulierten Solih sofort zum Wahlsieg. Das offizielle China blieb zunächst sprachlos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“