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Zum Schulstart fehlen 3.694 Lehrer

In keinem Bundesland fehlenso viele PädagogInnen wie in Nordrhein-Westfalen

Von Ralf Pauli

NRW hat sich elegant um den Bildungsnotstand gemogelt. Als PädagogInnen zum Schulstart in Berlin vor zwei Wochen auf den eklatanten Personalmangel an deutschen Schulen aufmerksam machten, verwiesen sie dabei vor allem auf die Zustände in der Hauptstadt und in Sachsen. Zu diesem Zeitpunkt lagen aber noch keine Einstellungszahlen aus Nordrhein-Westfalen vor. Mittlerweile ist klar: Es geht noch schlimmer als in Berlin oder im Freistaat – zumindest was die unbesetzten Stellen angeht.

Denn während es Berlin geschafft hat, mit Hilfe von QuereinsteigerInnen alle offenen Stellen zu besetzen, und in Sachsen nur 230 Stellen unbesetzt blieben, fehlten in NRW zum Schulstart vergangene Woche insgesamt 3.694 LehrerInnen – Rekord. Wie in den vergangenen Jahren droht regelmäßiger Unterrichtsausfall. In den nächsten zehn Jahren, schätzt die schwarz-gelbe Regierung, werde die Zahl der fehlenden Lehrkräfte sogar auf 15.000 anwachsen. Nur an den Gymnasien gebe es keinen Mangel. Besonders dramatisch hingegen ist die Lage an den Grundschulen. Dort blieben zum neuen Schuljahr 1.573 Stellen unbesetzt.

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte vor dem Schulstart versucht, diese Lücke unter anderem mit OberstufenlehrerInnen zu schließen. Wer sofort an der Grundschule anfängt, dürfe garantiert nach vier Jahren an die Sekundarstufe II wechseln. Doch im vergangenen Schuljahr nahmen nur 153 der 2.400 angeschriebenen LehramtsanwärterInnen das Angebot an. Auch pensionierte Lehrkräfte sind angehalten, an ihren Schulen auszuhelfen. Bis Ende 2019 dürfen sie unbegrenzt hinzuverdienen. Bei der Suche nach Lösungen dürfe es „kein Denkverbot“ geben, erklärte Gebauer bei der Vorstellung der Einstellungszahlen zum Schulstart. Eine ihrer Maßnahmen: die weitere Öffnung des Schuldienstes für SeiteneinsteigerInnen. Künftig dürfen alle Schulen nun auch AbsolventInnen von Fachhochschulen einstellen. Bislang durften das nur Berufsschulen.

Schon jetzt können bis auf die Sonderschulen alle Schulen in NRW Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium einsetzen. Nur an den Grundschulen sind die Regeln strenger. Dort dürfen NichtpädagogInnen nur in Sport, Musik, Kunst und seit Kurzem in Englisch unterrichten. Mathe und Deutsch sind aber nach wie vor tabu – sehr zum Leidwesen von Sebastian B. Der 27-Jährige hat vergangenes Jahr sein Ingenieursstudium abgeschlossen und würde gerne Mathe an der Grundschule oder dem Gymnasium unterrichten. Die Leidenschaft fürs Unterrichten hat B, wie er erzählt, „erst nach dem Studium“ entdeckt. Seit gut einem Jahr sammelt er als Inklusionshelfer an Essener Grundschulen erste Berufserfahrung. Doch trotz der neuen Regelung hat B. wenig Chancen, ohne erneutes Studium Mathe zu unterrichten. Der Grund: Sein Masterstudium Materialwissenschaften, erfährt B. bei der Beratungsstelle für den Quereinstieg, eigne sich nur für das Fach Werkstoffkunde. Also an der Berufsschule. Angesichts des akuten Lehrermangels findet Sebastian B. diese Einschränkung „schräg“.

Tatsächlich gibt es in NRW wie in anderen Bundesländern eine gewisse Skepsis gegenüber LehrerInnen, die keine PädagogInnen sind. „Der Quereinstieg ist vor allem an den Grundschulen strittig“, bestätigt Susanne Huppke von der Bildungsgewerkschaft GEW. Was die Sache in NRW noch komplizierter macht: „Offiziell gibt es an den Grundschulen keinen Quereinsteig. Zwar werden LehrerInnen ohne Lehramtsstudium eingestellt, teilweise auch unbefristet. Aber diese Leute werden nicht nachqualifiziert wie etwa in der Sekundarstufe, sondern erhalten nur eine Lehrerlaubnis für ihr Fach.“ Die Folge: Lehrkräfte, die dauerhaft Kunst oder Musik unterrichten, kein Referendariat nachholen und deshalb auch schlechter bezahlt werden. „Wir von der GEW fordern deshalb, diese KollegInnen berufsbegleitend nachzuqualifizieren.“

Doch auch hier gibt es ein Problem: In NRW unterrichten GrundschullehrerInnen drei Fächer statt zwei wie an anderen Schul­formen. Huppke, die als Hauptpersonalrätin für den Bereich Grundschulen im Schulministerium ­arbeitet, weiß, dass man dort eine Nach­qualifizierung für zu aufwendig hält. Stattdessen setzt Ministerin Gebauer weiter auf Lehrkräfte anderer Schulformen. Die Erhöhung des Grundschullehrergehalts von A12 auf A13, wie sie GEW und Landtags-Grüne fordern, lehnt sie ab.

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