Bremer Landtagswahl 2019: SPD macht Platz für AfD
Die Sozis setzen auf Volksvertreter aus urbanen Zentren – die Hochburgen der Rechten überlässt sie anderen. Und wo kaum noch gewählt wird, zieht sie sich zurück.
Dem Bericht zufolge stehen hinter Spitzenkandidat Carsten Sieling zunächst – wenig überraschend – die drei SenatorInnen Claudia Bogedan, Ulrich Mäurer und Eva Quante-Brandt. Die Landesvorsitzende Sascha Aulepp kandidiert auf Platz sechs, vor dem Bürgerschaftspräsidenten Christian Weber (72) aus Hastedt, der seit 1990 im Landtag sitzt. Für ihn gilt die „Zwölfender-Regel“ nicht, die besagt, dass Abgeordnete maximal drei Wahlperioden im Parlament bleiben sollen. Ihr waren früher schon kompetente FachpolitikerInnen zum Opfer gefallen. Bei Weber zählt das Amt, das er inne hat.
Der frühere Landesvorsitzende und Weyher Bürgermeister Andreas Bovenschulte bekommt Platz neun und liegt damit vor Fraktionschef Björn Tschöpe, der nur noch auf Platz elf gelistet ist. Tschöpe liegt gerade eben vor den beiden SeiteneinsteigerInnen Birgitt Pfeiffer, der Leiterin der Freiwilligenagentur, und IG Metall-Chef Volker Stahmann.
Die ersten KandidatInnen mit Migrationshintergrund findet man erst auf den weniger aussichtsreichen Plätzen: Zwar kandidiert die in der Sowjetunion geborene Abgeordnete Valentina Tuchel aus der Vahr auf Platz 16. Bildungspolitiker Mustafa Güngör, Findorffs Beiratssprecherin Gönül Bredehorst und Innenpolitiker Sükrü Senkal aus Huchting beispielsweise sind aber erst auf den Plätzen 19 bis 21 listet. Parlamentarier Mehmet Seyrek aus der Vahr steht auf Platz 31, der Arcelor-Betriebsrat Muhammet Tokmak auf Platz 37 und die syrisch-deutsche Kulturwissenschaftlerin Jasmina Heritani, die ebenfalls aus Gröpelingen kommt, gar erst auf Platz 40.
32,8 Prozent der Stimmen erreichte die SPD bei der Wahl 2015 – das reichte für 30 Sitze.
Bei der Landtagswahl 2019 muss die SPD erneut mit großen Verlusten rechnen: Eine neue Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der CDU sieht diese gleichauf mit der SPD bei 26 Prozent. Eine Umfrage im Auftrag der SPD sieht diese bei 28 und die CDU bei 24 Prozent, während eine Erhebung für Bild die SPD bei 22, die CDU bei 24 Prozent sah.
Die AfD rangiert zwischen sechs und neun Prozent, die Grünen lagen in mehreren Umfragen bei 14, jetzt bei 20 Prozent.
Für ArbeiterInnen ist kaum noch Platz in der SPD-Fraktion, nicht mal für Menschen aus den früheren Arbeitervierteln: Unter den ersten 15 KandidatInnen fallen da nur die Sozialpädagogin Petra Krümpfer aus Gröpelingen und Falk Wagner aus Walle auf. Wagner, der in der Finanzbehörde arbeitet, kandidiert als Chef des Unterbezirks Bremen-Stadt auf Platz fünf und soll die Fahne der ansonsten unterrepräsentierten Jusos hochhalten. Chancen hat noch die Verwaltungsangestellte Anja Schiemann aus Woltmershausen, die auf Platz 18 rangiert. Pierre Hansen aus Gröpelingen, der Sprecher des Zentralelternbeirats, kommt indes erst auf Platz 58.
Sehr gut vertreten ist dafür die linksgrün dominierte östliche Vorstadt, aus der neben Sieling, Bovenschulte oder Aulepp auch der Wirtschaftspolitiker Arno Gottschalk (Platz 17) kommen. Dem fiel Daniel de Olano zum Opfer, der sich ehrenamtlich stark im Kulturbereich engagiert und der der Fraktion etwas Kulturkompetenz hätte geben können – aber er kommt auch aus dem Viertel und wäre nur auf Platz 65 gelandet. Er sagte ab.
In urbanen Quartieren ist die Wahlbeteiligung mittlerweile am höchsten, während sie in Gröpelingen 2015 nur noch bei 36,8 Prozent lag, in anderen Ortsteilen mit hoher Armuts- und Migrationsquote ist es ähnlich. Überall dort sind mittlerweile Hochburgen der AfD entstanden, die bei der letzten Landtagswahl in Gröpelingen oder Osterfeuerberg Spitzenwerte erreichte.
In diesen Quartieren soll die SPD-Fraktion aber nun kaum mehr präsent sein. Dabei erreichte sie 2015 ihre höchsten Werte dort, wo immer weniger wählen gehen – in Oslebshausen, der Vahr, Blockdiek oder Gröpelingen. Doch während die SPD 2011 noch in zehn Ortsteilen die absolute Mehrheit gewann, war das schon 2015 nirgendwo mehr gelungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“