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Sag mir, was du wirklich willst

Die Firma IQ Mobile hat ein Gerät entwickelt,das Gedanken lesen können soll. Es heißt Emotional Analyzer und interpretiert Hirnströme. Ein Selbstversuch

Brain Painting

Der Künstler Adi Hösle hat eine Methode entwickelt, wie sich alleine mit Gedankenkraft Bilder malen lassen. Ganz ohne Hände, Füße oder andere Hilfsmittel. Das Einzige, was man braucht: einen Computer. Und zwar einen, der Hirnströme mittels Elektroenzephalografie (EEG) messen und decodieren kann.

Die Technik Der Bildschirm dieses Computers zeigt die wesentlichen Malutensilien an: Farbe, Pinselgröße und Form. In regelmäßigen Zeitabständen fliegen Blitze über diese Symbole. Konzentriert sich der vor diesem Bildschirm sitzende Maler auf ein Symbol, während ein Blitz darüber hinwegzieht, wird eine P-300-Welle in seinem Gehirn ausgelöst. Der Computer registriert diese P-300-Welle und kann sie einem der Symbole zuordnen. „Das ist eine klar messbare Reaktion im Gehirn auf einen bestimmten Reiz von außen, den man hervorrufen kann“, erklärt die Würzburger Psychologin Andrea Kübler, die zusammen mit Adi Hösle das Programm entwickelt hat. 15 Minuten braucht Hösle für ein Bild.

Die Anwendung von Hösles Maltechnik ermöglicht es gelähmten Menschen, kreativ zu arbeiten. Sie wurde auf diversen Technikkonferenzen und Kunstmessen schon vorgestellt, so in der Kunsthalle Rostock und im Ars Electronica Center in Linz.

Die Ausstellung Nun sind die Bilder von Adi Hösle auch in Berlin zu sehen. Im Rahmen der Ausstellung „Ich male, also bin ich“ stellt der Künstler die Frage nach dem Entstehungsort und der Autorschaft von Kunstwerken und diskutiert das Thema der Selbstbestimmung und Teilhabe. Eröffnet wurde die Ausstellung von Jürgen Dusel (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen) und Reinhard Spieler (Direktor des Sprengel Museums Hannover). Bis zum 25. September ist die Ausstellung im Berliner Kleisthaus zu sehen. Interessierte können nach vorheriger Anmeldung unter kleisthaus@behindertenbeauftragter.de einen Workshop besuchen, in dem das Malen mithilfe des Brain Computers gelernt wird. Doris Akrap

von Paul Wrusch

Jedes Mal, wenn ich Karl Aschinger anschaue, steigt diese verdammte rote Kurve schlagartig nach oben. Noch mal testen. Ich gucke ihn an, schaue weg, gucke ihn an. Viermal, fünfmal. Jedes verdammte Mal reagiert die rote Kurve. Ich fühle mich ertappt.

Die rote Kurve steht für „Mögen“ oder „Sympathie“, wie mir Aschinger zuvor erklärt hat. Finde ich ihn heiß? Scheint so. Hätte ich jetzt spontan nicht gedacht, aber „You don’t argue with science“. Ob er es merkt? Bestimmt. Er ist ja Profi beim Interpretieren von Emotionen. Er sagt nichts. Zum Glück.

Ich sitze am Tisch, ein kleines Headset auf dem Kopf, ein Sensor auf meiner Stirn, der Hirnströme misst. Auf dem Laptop vor mir werden 13 Bilder gezeigt, nacheinander, für nur wenige Sekunden. Karl Aschinger sitzt neben mir, er arbeitet bei der österreichischen Firma IQ Mobile und führt mit mir den Test durch. Auf seinem iPad sieht er, wie ich emotional auf jedes der Bilder reagiere.

Entwickelt wurde der Algorithmus von der japanischen Mutterfirma Dentsu, „basierend auf 19 Jahren Forschung“, wie Aschinger sagt. „Das Gerät ‚Emotion Analyzer‘ ermöglicht es, die Gehirnwellen des Trägers auszulesen und dadurch Faktoren wie Interesse und Sympathie sofort sichtbar zu machen“, heißt es in der Werbebroschüre.

Auf fünf Emotionen haben sie die menschliche Gefühlswelt reduziert: Gelb für Interesse, Grau für Konzentration, Grün für Gelassenheit, Blau für Stress – und eben Rot für Sympathie. Strandurlaub mag ich, Winterurlaub weniger. Eine Vogelspinne löst Stress aus, aber so richtig eklig finde ich sie nicht. Interessiert bin ich an Mathe und meine Sympathiekurve steigt rasant bei „Game of Thrones“. Stimmt alles so weit.

Und als das Bild von einem Mann und einer Frau im Fitnessstudio gezeigt wird, sinkt das Interesse deutlich ab, die rote Kurve steigt dagegen steil nach oben. „Kein Interesse an Sport, aber wahrscheinlich findest du die Frau oder den Mann attraktiv“, sagt er später. „Eher den männlichen Körper“, sage ich nicht. Denke es nur.

Aschinger ist in die Redaktion gekommen um mir „die Gedanken zu lesen“. Wir sitzen also an einem Tisch im Dachgeschoss der taz, es ist heiß und ich mache mich emotional nackig. Nachdem die Bilder über den Bildschirm gelaufen sind, trage ich noch immer dieses Headset. Die fünf bunten Kurven laufen weiter. Ich versuche, sie zu manipulieren, denke an etwas Stressiges: U-Bahn fahren im Sommer, Deadline für einen Text, Partyvorbereitung. Meine Konzentrationskurve steigt, die Stesskurve reagiert nicht. So einfach lässt sich mein Hirn nicht austricksen.

Als das Bild von einem Mann und einer Frau im Fitnessstudio gezeigt wird, sinkt das Interesse ab, die rote Kurve aber steigt steil nach oben. Der Tester sagt: „Kein Interesse an Sport, aber wahr- scheinlich findest du die Frau oder den Mann attraktiv“

Dafür werde ich entlarvt. Diese verdammte rote Kurve. Ein ideales Werkzeug für Marketingabteilungen. So wird der „Emotion Analyzer“ von Unternehmen benutzt, die damit ihre Werbespots testen. Sekundengenau sehen sie, wann das Interesse und die Konzentration der Zuschauer besonders hoch sind. Genau dann wird das Logo eingeblendet. Stresst die Hintergrundmusik? Ist die Sympathie höher, wenn das Auto blau oder rot ist? Die bunten Kurven können es – angeblich – beantworten und für den optimalen Werbespot sorgen.

Bei der Modekette Uniqlo wurde das Gerät in Shops eingesetzt, um Kunden zu helfen, das für sie optimale T-Shirt zu finden. „Das Gehirn will, was das Gehirn will“, sagt der Sprecher im dazugehörigen Werbespot. Und: „Es ist Zeit aufzuhören, aufs Herz zu hören und zu beginnen, mit dem Kopf zu shoppen“, denn das Gerät sagt dir, was du wirklich willst.

Sitzen wir bald alle mit dem „Emotional Analyzer“ zu Hause und entscheiden aufgrund der bunten Linien, was wir im Onlineshop kaufen? „Es gibt auch andere Anwendungsgebiete“, sagt Karl Aschinger zügig, als ich ins Grübeln komme, ob sein „Emotion Analyzer“ nicht auch missbräuchlich angewandt werden könnte. Im Pflegebereich in Japan etwa, wird die Software als „Care Communicator“ benutzt, um mit Komapatienten oder dementen Menschen zu kommunizieren. So können Angehörige erfahren, ob ihre Anwesenheit, ihre Gespräche und Berührungen bemerkt werden, welche Musik den Patienten gefällt, wann sie Schmerzen verspüren.

Nach einer Stunde setze ich das Headset ab, die Kurven sammeln sich in der Mitte, kein Ausschlag mehr, und ich bin froh, dass niemand mehr in meinen Kopf schauen kann.

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