press-schlag: Handarbeitfür Fußballer
Warum die Auswahl des DFB noch ein paar Schwierigkeiten hat mitder Nähe zum gemeinen Fan
Dietmar Hopp ist ein Milliardär fürs Volk. Dem hat er einen Fußballklub geschenkt. Weil der Mann nicht verstehen kann, dass man ihn und seine TSG 1899 Hoffenheim dafür nicht überall liebt, verklagt er jeden, der ihn öffentlich schmäht. Als „Sohn einer Hure“ wird er gern bezeichnet, womit die Ultras anderer Klubs eine nicht eben subtile Kritik an der Käuflichkeit des Profifußballs äußern. Der soll gefälligst Vereinssache sein. Dass es einem Milliardär wie Hopp erlaubt wurde, einen Klub zu übernehmen, dass deswegen die Regeln geändert wurden, die eigens zum Schutz der Vereine installiert worden sind, wird gern skandalisiert.
Dabei meint es der Mann, der sein Geld mit dem Aufstieg von SAP gemacht hat, so gut mit dem Fußball und dem einfachen Fan. Vor dem Länderspiel der Deutschen in dem von ihm errichteten Stadion in Sinsheim gegen Peru prangerte er die späte Anstoßzeit um 20.45 Uhr an. Die sei so gar nicht kinderfreundlich, meinte er. Hopp ist nicht nur Fußballfreund, er ist auch Kinderfreund und hat es in diesen Zeiten, in denen überall die Unnahbarkeit des arroganten DFB-Trosses angeprangert wird, natürlich geschafft, Gehör zu finden. Und wo wirbt ein Milliardär für mehr Nachwuchsvolksnähe? In seinem eigenen Golfklub in St. Leon-Rot hat Hopp den Kinderfreund gegeben. Warum auch nicht? Der gemeine Milliardär kann ja schlecht raus aus seiner Haut.
Und weil es gerade so gut ankommt, den DFB für seine Abgehobenheit zu kritisieren, gab auch Sinsheims Bürgermeister seinen Senf zum Länderspiel dazu. Jörg Albrecht heißt der Mann, ist von der CDU und hat der Bild-Zeitung gesagt, dass er das „Ohr am Volk“ habe und „hautnah“ mitbekomme, wie groß die Enttäuschung nach der WM sei. Zu teuer sei ein Stadionbesuch: „Wenn man zu zweit geht und noch eine Bratwurst und ein Bier dabei isst, liegt man schnell bei 200 Euro.“ Zwischen 25 und 80 Euro kostet ein Ticket. Das kann man zu teuer finden, keine Frage. Wenn des Bürgermeisters Rechnung stimmen würde, wären Wurst und Bier wahnsinnig teuer in Sinsheim. Weil das aber nicht so ist, wird schnell klar, was die Kritik von Jörg Albrecht in Wahrheit ist: billig.
Wie es dem DFB gelingen wird, sein arrogantes Image abzulegen, so wie er es sich vorgenommen hat, bleibt spannend. Als die Mannschaft am Samstag ins Hotel in Heidelberg eingecheckt ist, haben die Nationalspieler jedenfalls relativ fleißig Autogramme geschrieben. Manchen ist es dabei sogar gelungen, nicht genervt dreinzuschauen. Andere dagegen haben es nicht einmal geschafft, bei der Begegnung mit den Fans ihren Kopfhörer abzunehmen.
Besonders gut meint es in diesen Tagen Mats Hummels. Der ist nach dem Nations-League-Spiel gegen Frankreich sehr lange bei den Fans geblieben und hat sich sogar mit jemandem aus dem Publikum unterhalten. Am Samstag hat er via Twitter mit seinen Followern interagiert. Eine bat: „Send me a virtual high five if you see this!“ Ist doch gar nicht so schwer, der Fan-Dialog. Dann musste Hummels die Unterhaltung abbrechen. Die Nationalmannschaft war am Münchner Flughafen angekommen. Am Flughafen? Ja, die Mannschaft flog nach Mannheim. Nach Mannheim? Mit dem Flugzeug? Das sind keine 300 Kilometer Luftlinie. Das gibt einen fetten Arroganzabdruck in der Fanklimabilanz des DFB. Um das zu kompensieren, werden die Spieler noch viele Autogramme schreiben müssen.
Andreas Rüttenauer
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