: Heiko und Mevlüt
Wie ein Traumpaar: Beim Besuch von Außenminister Maas in der Türkei ging es vor allem um seine Freundschaft mit Amtskollege Çavuşoğlu. Kritische Worte? Fehlanzeige
Aus Istanbul Jürgen Gottschlich
„Die tun ja wie ein Hochzeitspaar“, raunt ein Besucher, als Heiko Maas und Mevlüt Çavuşoğlu vertraulich plaudernd die Aula des Alman Lisesi, der Deutschen Schule in Istanbul, betreten. Die Bemerkung erntet heftiges Kopfnicken der deutschen Journalisten, die den Bundesaußenminister auf seiner ersten offiziellen Türkei-Reise begleiten.
„Mein Freund Mevlüt“ und „mein Freund Heiko“ – das waren die wohl am häufigsten gebrauchten Floskeln der beiden Außenminister in den zwanzig Stunden, die der Besuch von Heiko Maas am Mittwoch und Donnerstag in der türkischen Hauptstadt Ankara und in Istanbul dauerte.
Schon am Mittwochabend wurde am Rande einer Pressekonferenz deutlich, dass Maas eine Rundumbetreuung seines türkischen Kollegen erhalten hat. „Wir fahren zusammen im Auto, wir fliegen von Ankara aus zusammen nach Istanbul und wir essen gemeinsam zu Abend“, verkündete Çavuşoğlu gegenüber türkischen Journalisten und präsentierte Maas wie eine persönliche Trophäe.
Der deutsche Außenminister wirkte dabei wie ein Gast zu Besuch bei einer türkischen Familie, der unentwegt zu einer weiteren Tasse Tee eingeladen wird und sich nicht traut, nein zu sagen. Stattdessen sagte Heiko Maas Sätze wie diesen: „Ich bin ja nun mit Mevlüt seit zwei Tagen zusammen und wir arbeiten intensiv daran, unsere konstruktive Zusammenarbeit zu vertiefen.“
Als Maas während der kurzen Pressekonferenz mit Çavuşoğlu gefragt wird, was denn nun mit den sieben Deutschen sei, die nach wie vor in der Türkei aus politischen Gründen in U-Haft sitzen, wird er dagegen schmallippig. Man habe darüber gesprochen und werde weiter darüber sprechen, beschied er etwas unwirsch.
Çavuşoğlu nahm den Ball auf und sagte, eine Normalisierung der deutsch-türkischen Beziehungen dürfe nicht an Bedingungen geknüpft werden, sonst müsse man auch über die geflüchteten Putschisten in Deutschland und über die PKK in Europa reden. Das wolle ja niemand.
Offensichtlich haben Maas und Bundeskanzlerin Angela Merkel sich entschieden, dass es jetzt gut ist mit der Kritik an Recep Tayyip Erdoğan und seiner repressiven Politik, die seit dem Putschversuch im Juli 2016 Tausende Menschen ins Gefängnis gebracht hat und über hunderttausend Lehrer, Akademiker und andere Beschäftigte im Öffentlichen Dienst den Job kostete. Ob Maas hinter verschlossenen Türen mit seinem Freund Mevlüt oder dem Präsidenten, der ihn Mittwochabend in seinem Palast empfing, darüber gesprochen hat, bleibt sein Geheimnis. Öffentlich fiel jedenfalls kein böses Wort.
Mevlüt Çavuşoğlu, türkischer Außenminister
Während man sich im vergangenen Jahr noch die Hitler-Vergleiche Erdoğans verbitten musste und gleichzeitig die völlige Aufgabe europäischer Werte in der Türkei diagnostizierte, spricht Heiko Maas nun von „Missverständnissen“, die es im deutsch-türkischen Verhältnis gegeben habe. Die türkische Wirtschaftskrise, die drohende humanitäre Katastrophe in Syrien und die daraus möglicherweise resultierenden neuen „Flüchtlingsströme“ spielten zwar im Hintergrund eine Rolle, wurden aber öffentlich kaum thematisiert. Nach Außen hin ging es um das Atmosphärische – die neue Freundschaft eben.
Da passte der Besuch der Deutschen Schule in Istanbul, die in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen feiert, hervorragend ins Konzept. Gut gelaunt gaben die beiden Außenminister am Donnerstag vor der versammelten Presse und einer Auswahl von Schülern Auskunft, warum sie Politiker geworden sind und ob sie mit ihrem Job als Außenminister zufrieden seien. Ja, sagte Heiko Maas. Außenminister zu sein, das sei ganz okay, da lerne man so nette Menschen wie Mevlüt kennen.
Dass Heiko Maas dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit im deutschen Konsulat noch einige türkische Kulturschaffende und Menschenrechtler empfing, wird ihm sein Freund Mevlüt verziehen haben. Das Treffen am Donnerstag war während der Reise erst spät und ohne Details öffentlich gemacht worden. Es war die letzte Zusammenkunft auf der Türkei-Reise des deutschen Außenministers. Am Mittag flog er wieder ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen