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Magisch begabte Wer-Robben

Der Spielfilm „Freiheit schmeckt salzig“ ist in Cuxhaven als ein auf allen Produktionsebenen inklusives Projekt entstanden

Von Wilfried Hippen

„Wenn du sieben Nächte unter sieben Silkiefellen schläfst, wirst du dich für immer leicht und schwerelos fühlen wie die Silkies im Wasser.“ Magische Kräfte schreiben schottische Sagen den mythischen Selkies zu. Wenn sie an Land ihr Fell ablegen, verwandeln sie sich von Robben in Menschen, erzählt man sich. Vor Kurzem soll es diese Fabelwesen an die Elbmündung, nach Cuxhaven verschlagen haben. So zumindest behauptet es der Spielfilm „Freiheit schmeckt salzig“.

Entstanden ist er auf Initiative des Bremer Medienpädagogen Hermann Böhm in Cuxhaven in nur drei Wochen, finanziert hatte Böhm das Projekt zuvor über die Crowdfunding-Webseite Startnext. Das Besondere: Auf allen Produktionsebenen ist das Projekt inklusiv. Böhm sammelte ein Team von professionellen und Filmemachern, Laienschauspielern und anderen Filmbegeisterten zwischen 16 und 68 Jahren um sich. Einige von ihnen haben Behinderungen, andere nicht.

Gedreht wurde der Film von einem professionellen Team an Kamera, Ton und Licht, aber sowohl vor als auch hinter der Kamera arbeiteten alle gemeinsam. Bei möglichst vielen kreativen Entscheidungen bestimmten alle mit. Teammitglieder, die nicht lesen und schreiben können, arbeiteten am Drehbuch mit, Charaktere und die Geschichte wurden in Spielgruppen und Workshops entwickelt. Ein Autist, der sich nicht sprachlich ausdrücken konnte und durch Zeichen und Fotografien mit dem Team kommunzierte, war für die Continuity verantwortlich – mit seinem genauen Blick für Details und seinem guten Gedächtnis war er für die Aufgabe prädestiniert.

In der Geschichte um die Selkies führte Böhm das Interesse einiger Teammitglieder am Meer und an maritimen Mythen zusammen. Den zwölf Darstellern schrieb er schließlich ihre Rollen buchstäblich auf den Leib – gemäß ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Beschränkungen.

So spielt ein Rollstuhlfahrer, der nur Kopf und die Hände bewegen kann, einen reichen Unternehmer, der sieben Selkie-Felle bekommen möchte, um durch deren magische Kräfte geheilt zu werden. Für die Selkies hätte das eine unerbittliche Konsequenz: Ohne ihre Felle sind die Seewesen zum ewigen Leben an Land verdammt. Skrupellos ist also der Geschäftemacher, der schließlich einen Künstler in Geldsorgen überredet, mit seinem Flötenspiel die Selkies an Land und in eine Falle zu locken. Aber die Kinder und Freunde des Musikers erfahren davon – und sorgen dafür, dass alles doch noch ein märchenhaft gutes Ende nimmt.

Der Film hat seinen eigenen Charme, denn natürlich kann man ihn nicht an professionellen oder gar kommerziellen Produktionen messen. Stattdessen überrascht und fasziniert das gemeinsame Spiel des Ensembles. Man spürt, mit wie viel Freude und Leidenschaft sie gemeinsam diesen Film gestalten. Und in der Postproduktion hat Böhm den Film mit einem professionellem Sprecher und einer eigens eingespielten Filmmusik so gestaltet, dass die Geschichte von den Selkies spannend und stimmig erzählt wird.

Do, 5. 9., 20.15 Uhr, City 46, Bremen mit Regisseur und TeammitgliedernSo, 9. 9., 19.30 Uhr, Inselkino Spiekeroog

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