: „Eigentlich bin ich Leserin“
Seit über 20 Jahren leitet Kathrin Dittmer das Literaturhaus in Hannover. Nun liest sie selbst aus ihrem ersten Kolumnen-Band – beim Hoffest von Schauspiel und Künstlerhaus
Interview Alexander Diehl
taz: Frau Dittmer, die monatlichen Kolumnen, aus denen Sie am Samstag welche vorlesen: Haben Sie die von Anfang an geschrieben?
Kathrin Dittmer: Ja, und das hatte ganz banale Gründe: Wir hatten Platz im Flyer, dem Monatsprogramm. Und den hab ich versucht, werbetechnisch zu füllen, so nach dem Motto: Gute Gründe, warum man zu uns kommen soll. Aber das wurde auf Dauer so langweilig, auch für die Leser*innen, dass ich angefangen habe, stattdessen kleine Texte zu schreiben.
Apropos Anfang: Ihre Kurzvita besagt, Sie seien „schon sehr viel länger“ Chefin des Literaturhauses Hannover, als Sie selbst „sich das gedacht hätten“. Wie kommt es denn zu so was?
Das hat zu tun mit dem Los der freien Trägerschaft. Wir sind ja nicht Teil einer öffentlichen Kulturverwaltung. Als ich anfing, war der Verein klein und brauchte jemanden, ich brauchte Arbeit, es gab Honorar … Ich hätte damals nicht gedacht, dass es sich so entwickelt. Immer wieder gab es Stimmen, die meinten, es würde nichts: Doch es läuft mit mir nun schon über 20 Jahre, das kommt manchem wiederum ein bisschen stehengeblieben vor.
Ist es das denn?
Man muss immer kämpfen, auch im positiven Sinne. Das werden Ihnen viele bestätigen, die im freien Bereich arbeiten: Man ist eigentlich immer so busy, das Ding am Laufen zu halten, dass die Jahre nur so wegflutschen. Das klingt vielleicht nicht, als wäre es mit einem Erfolg konnotiert – aber letztlich ist es natürlich doch einer: Dass wir das Haus so etablieren konnten. Das liegt ja nicht nur an mir, sondern auch an der Arbeit von Annette Hagemann, den verschiedenen Vorständen, den Förderern …
Dass eine Literaturhausleiterin schreibt, ist selbstverständlich – oder gerade nicht? Wie gut vertragen sich die Funktion und die Kunst?
Eigentlich bin ich Leserin. Und ich glaube, es ist gut, in so einer Position in erster Linie Leserin zu sein. Weil es bei uns um die Rezeption von Literatur geht. Und es ist keine Koketterie: Mit der Veröffentlichung einer Kolumnensammlung würde ich mich nicht als Autorin bezeichnen. Ich hatte auch überhaupt nicht vor, nun zu zeigen: Seht her, ich kann das auch! Aber was die Arbeit mit sich bringt, was übrigens ein Luxus ist, ist immer wieder so viel Anregung zu bekommen. Sie regt an zum Denken – und dann eben auch zu solchen manchmal vielleicht etwas besserwisserischen Kommentaren zum Zeitgeschehen. Und das macht auch Spaß. Aber ich finde es nicht zwingend, in so einer Position unbedingt zu schreiben. Eine Literaturhausleitung muss vor allem lesen.
Zurück zu den Texten. Wie würden Sie, wenn Sie’ s müssten, die beschreiben?
Kathrin Dittmer
Jahrgang 1962, studierte unter anderem Politikwissenschaft, jobbte in Kneipen, Büros und auch mal in einer Schleifmittelfabrik. Eine Zeit lang arbeitete sie bei der Denkmalpflege, lernte Kulturmanagement und leitet, schon sehr viel länger als sie je gedacht hätte, das Literaturhaus Hannover.
In so einer Kolumne kann man eigentlich immer nur einen Gedanken verfolgen. Versucht man mehr als das, wird der Text nichts. Ich nehme mir heraus, etwas Kleines zu schreiben zu dem, was mir durch den Kopf geht – das kann auch ganz banal sein. Am liebsten mag ich selbst vielleicht die Kolumnen, die Einblick geben ins Literaturhausleben. Das ist ja ein Arbeitsbereich, in dem man Erfahrungen sammelt, die man nicht überall geboten bekommt. Aber jetzt habe ich Ihre Frage überhaupt nicht beantwortet …
… na, irgendwie ja doch.
Was ich sagen kann, ist: Für mich waren das im Grunde Wegwerftexte. Ich hab’gewusst: Ich schreib da was, das liest, wer Lust hat, und am Ende der Saison – bestenfalls erst dann – tun die Leute das ins Altpapier. Ich hatte also nicht das Gefühl, das müssten jetzt haltbare Texte sein, die auch in zehn Jahren noch interessant sind.
Einige im Buch enthaltene Texte sind sogar älter als zehn Jahre.
Es mag ein wenig widersprüchlich sein, nun einen Sammelband daraus zu machen. Das war die Idee meiner Kollegin und aus dem Vorstand. Es hat mir einerseits natürlich ein bisschen geschmeichelt – aber andererseits: Schreibblockade. Ich hatte anfangs auch nur fünf Kolumnen übrig, die ich gut fand.
Und dann?
Dann dachte ich mir: Das ist doch genauso eitel, wie alle gut zu finden. Und bei der Auswahl haben mir dann Menschen geholfen, haben etwa gesagt: Dieser Text ist nicht so gut, wie du glaubst, schmeiß’den raus und nimm’lieber den.
Beim Hoffest von Schauspiel-, Künstler- und Literaturhaus zum Saisonauftakt gibt es unter anderem Wasserspiele, Installationen, Performances, Freiluftkino, eine Bastelstraße, Kinderschminken und -lesungen, einen Pool, einen Kostümwettbewerb sowie Musik aus aktuellen Inszenierungen: Sa, 25. 8., 15–24 Uhr, Hannover, Theaterhof, Sophienstraße 2, Eintritt frei. Bei der „Hoffestgalashow“ ist ab 20 Uhr ein „rasanter Ritt“ durch die kommende Theater-Spielzeit zu sehen: Schauspielhaus, Eintritt: 5 Euro; anschließend Les Trucs live auf der Hoffestbühne.
Und was lesen Sie davon nun vor?
Das werden nicht mehr als fünf, sechs Kolumnen sein. Man ballert die Leute ja sonst mit diesen kurzen Texten zu. Ich denke, ich werde die raussuchen, in denen es ums Literaturhaus geht. Um ein bisschen zu erzählen: Was passiert hier überhaupt. Ich denke, das passt ganz gut zum Hoffest, in dessen Rahmen ich ja auftrete. Frank Schäfer, der moderiert, hat aber auch noch ein paar andere Vorschläge.
Hoffest, das ist ein prima Stichwort. Für Menschen, die es nicht kennen: Wer feiert da – und was?
Das ist der freudige gemeinsame Saisonstart aller Institutionen im Künstlerhaus und des Schauspielhauses. Wir haben das Glück, dass hier im Künstlerhaus mehrere Künste vertreten sind: Film, bildende Kunst, Literatur. Und den Hof teilen wir uns mit dem Staatstheater. Und seit vielen Jahren schon, also auch mehreren Intendanten, feiern wir gemeinsam die Saisoneröffnung. Mit einem Programm draußen im Hof, Bier und Würstchen. Auf allen Bühnen passiert was, bei uns, drüben im Schauspielhaus, abends kann man tanzen: Man kriegt ordentlich was geboten.
Kathrin Dittmer: „Hasenrein eingemiezelt. Kolumnen“, Zu Klampen! 2018, 128 S., 14,80 Euro; E-Book 11,99 Euro
Lesung: Sa, 25. 8., 17.30 Uhr, Literaturhaus
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