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Schreiben ist machbar

Sie wollen ein Buch schreiben, wissen aber nicht, wie Sie anfangen sollen? Keine Panik, Sie sind nicht allein. In Schreibkursen können Interessierte lernen, wie das geht

Von Hannes Vater

„Die wichtigste Grundregel ist es, Schreibregeln erst einmal außer Acht zu lassen“, sagt Autorencoach Andreas Schuster von der Schreibwerkstatt „Schreiben und Leben“. Um Ideen zu entwickeln und ins Schreiben zu kommen, sei es wichtig, klassischen Mustern und Schreibtipps zunächst nicht zu viel Beachtung zu schenken. „Sonst droht häufig eine Schreibblockade.“ Geht es allerdings an die Planung und Überarbeitung eines längeren Werkes, könne man getrost auf ein paar konventionelle Tipps zurückgreifen.

Der Weg zur erfolgreichen Veröffentlichung kann in viele Richtungen gehen. Aufstrebende AutorInnen sollten sich laut Schuster überlegen, was sie mit ihrem Buch erreichen wollen: das Beschreiten neuer literarischer Pfade? Hohe Verkaufszahlen? Oder die Weiterentwicklung als AutorIn? Alle drei Möglichkeiten zu vereinen, könnte der schönste Weg sein, allerdings auch der schwierigste.

Kreativ- und Literaturwerkstätten, Schreibschulen und -coachings wie „Schreiben und Leben“ gibt es allein im Raum Hamburg dutzendfach. Teils staatlich gefördert, teils als Privatunternehmen. Gelehrt wird vor Ort oder in Online-Seminaren. Manche Kurse dauern ein paar Tage, andere viele Monate. Ein Tipp, den viele Schreibschulen ihren Teilnehmern mit auf den Weg geben, ist das Etablieren einer Schreibroutine. Wie beim täglichen Zähneputzen sollten aufstrebende AutorInnen regelmäßig versuchen, bestimmte Zeilen- oder Seitenzahlen zu erreichen. „Auf dieser Basis lassen sich dann wunderbar Ideen entwickeln und längere Projekte in Angriff nehmen“, sagt Schuster.

Themenideen finden sich im täglichen Leben: in Gesprächen, durch beeindruckende Orte, Personen oder Gegenstände. Beim Sammeln der Ideen sollte zunächst ganz unkritisch vorgegangen werden. Zu Beginn verarbeitet man am besten die Einfachsten und notiert sich die Komplizierten für später. Hat man ein paar Einfälle gesammelt, lässt man sie eine Weile ruhen und selektiert später: Schlechte Ideen sind die, die einen selbst nicht wirklich interessieren. Gute Ideen lassen einen nicht mehr los und wollen ausformuliert werden. Ziel ist es, ein paar sehr gute Ideen zu finden. Sehr gut bedeutet, dass der Geistesblitz immer mehr Gestalt annimmt und ständig neue Einfälle die Geschichte noch spannender machen.

Freiheit im Kopf schaffen

Hat man ein paar überzeugende Vorschläge gesammelt, kann man ein bisschen mit ihnen jonglieren. Wie könnte die Geschichte ablaufen? Welche Charaktere sind wichtig und als Hauptfigur geeignet? Was passiert in der ersten Szene?

Lässt die Gestaltungskraft auf sich warten, kann man ein paar Kreativitätstechniken anwenden, um sie zu steigern. Eine gute Möglichkeit ist die ABC-Methode: Dabei hält der Schreiber sich paradoxerweise an strenge Strukturen, um dem Kopf etwas Freiheit zu verschaffen. Die strenge Struktur ist das Alphabet. Die einzelnen Buchstaben sind die Anfangsbuchstaben eines neuen Satzes oder einer Idee. Geschrieben wird möglichst von A bis Z. Mithilfe der Buchstaben soll unterbewusste Inspiration geweckt und zu Papier gebracht werden. Ein verlässlicher Trick gegen Schreibblockaden. Ähnlich funktioniert es mit visuellen Reizen. Ein Fundus vielfältiger Bilder ist dabei hilfreich – aus dem Internet, Magazinen, der Zeitung oder eigener Fotos. Nach dem Zufallsprinzip sucht man ein Bild aus und zwingt sich, aus dem Gesehenen eine Antwort auf die aktuelle Fragestellung der Geschichte zu entwickeln. Sieht man also ein Bild von einem angeleinten Hund vor einem Supermarkt, könnte er die Antwort auf große Fragen der Freiheit und menschengemachten Ordnung liefern.

Anette Huesmann, Autorin und Dozentin für kreatives Schreiben favorisiert die „Kopfstandmethode“. Dabei wird nicht der Schreibende auf den Kopf gestellt, sondern dessen Fragestellung. Geht es also beispielsweise darum, Spannung aufzubauen oder aufrecht zu erhalten, könnte man fragen: „Was wäre an dieser Stelle das Langweiligste, das passieren könnte?“ Beschäftigt man sich also mit dem Gegenteil von dem, was man schreiben will, kommt man schneller auf frische Ideen.

Tipps wie „Zeige es nicht, sondern erzähle es“ sind – je nach bevorzugter Erzählform – Klassiker der Literaturtipps: Der Charakter und die Handlung einer literarischen Figur wird dabei nicht einfach beschrieben. Sein verbales und nonverbales Handeln enthüllt stattdessen sein Wesen. Die LeserInnen sollen selbst erleben, was passiert. Andreas Schuster sieht kein Problem darin, durch Erzählungen eine Geschichte zügig voranzubringen: „Doch gerade szenische Passagen werden erst durch Sprachbilder, Handlungen und Ereignisse, die der Leser interpretieren kann, fesselnd und lebendig.“ Nicht alles zu sagen, schon gar nicht doppelt und dreifach, ist die beste Versicherung gegen Langeweile.

Die eigene Stimme finden

Um aus der großen Masse an Veröffentlichungen herauszustechen, sollte man auf bewährte Prinzipien zurückgreifen, das allerdings auf möglichst ganz neue Art und Weise. Was leichter klingt als es ist. Erna Fanger, Dozentin für kreatives und literarisches Schreiben und Leiterin der Schreibschule „Schreibfertig“, rät ihren Schülern, eine eigene Stimme zu finden, „geprägt von Authentizität und Eigensinn“. Im Ansatz verfüge jeder über so eine Stimme, die sich mit der Zeit entfalten will. Der optimale Schreibstil ist natürlich auch genreabhängig. Kriminalromane brauchen eine andere Sprache als Liebesgeschichten. Was aber noch wichtiger sei, ist der innere Antrieb: „Ein bestimmtes Anliegen, das uns bewegt, für das wir brennen und das wir mitteilen wollen.“

Christa Hilscher, 67, spielt seit ihrer Jugend gern mit Wörtern, schreibt Träume auf, Kummer und Ängste. Durchs Schreiben verliere sie die Schwere. Um sich zu disziplinieren und besser schreiben zu lernen, wandte sie sich an „Schreibfertig“. Sie schließt sich dem zweijährigen Fernkurs an. Fast täglich sitzt sie an ihrem Schreibtisch, auch wenn mal nichts dabei rauskommt. Zwischenzeitlich habe ihr der Kurs das Lesen verdorben. In Büchern suchte sie gezielt nach dem, was langweilt, was die Spannung aufrechterhält. Das ging vorüber.

Durch das Feedback von Fanger und ihrem Team lernt sie, worauf sie im Schreib- und Leseprozess achten muss. Bei sich und bei anderen. „Dabei merke ich öfter, was ich zur Seite legen sollte“, sagt Hilscher. Früher hat sie viele Gedichte über Liebe und Weltschmerz geschrieben. Heute beschäftigt sie die Biografie ihrer Mutter. „Zwischendurch sehe ich aus dem Fenster und hoffe, etwas Leichtes, Lustiges, Fröhliches fliegt vorbei, was gern in Worte gefasst wäre.“ Empfehlen könne sie die Schule jedem, der gern schreibt. Besonders das konstruktive Feedback habe ihr geholfen. „Es waren volle, aufregende Monate.“

Welcher Verlag passt zum Werk?

Was macht man, wenn ein Buch fertig ist und man es veröffentlichen will? Zunächst sollte man nach einem Verlag oder einer Literaturagentur suchen, die programmatisch zum Inhalt des neuen Buches passt. Große Verlage vereinen oft viele Genres, während kleine Verlage deutlich spezialisierter sind. Über ihre Websites lässt sich herausfinden, was Autoren vorlegen sollten und was nicht: „Die hier üblichen Textsorten, Exposé, Textprobe und das Anschreiben, müssen die entsprechenden Kriterien erfüllen und gelten als Visitenkarte“, sagt Fanger. Auch das Selfpublishing, also eine Veröffentlichung im Selbstverlag, ist nach Schuster eine schöne Methode: „Mit ein wenig Lust auf Selbstvermarktung bieten sich auch auf anderem Weg Chancen, eine Leserschaft zu finden. Der Vorteil: Hier werden Sie aktiv und sind nicht darauf angewiesen, entdeckt zu werden.“

Das Wichtigste, wenn man ein Buch schreiben will, ist der Anfang. Wenn die Lust zu Schreiben da ist, sollte noch heute damit begonnen werden. Schuster sieht den größten Fehler beim Schreiben darin, es nicht zu tun: „Mit dem Schreiben ist es ähnlich wie beim Lernen eines Musikinstruments: Tägliche Übung macht den Meister!“

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