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Wiederverwerten ist besser als recyceln

Sammeln, reparieren und wiederverwerten anstatt alte Dinge wegwerfen: Darin sind die Flamen Spitze. Deutschland hinkt dagegen deutlich hinterher

Von Heike Holdinghausen

Experten, die sich in Deutschland mit nachhaltigem Konsum befassen, blicken schon länger neidisch ins belgische Flandern. Auch im Recycling sind die Flamen top: Pro Kopf sammeln sie im Jahr 11,2 Kilogramm Elektroschrott ein, in Deutschland sind es nur 8 Kilogramm. Das Besondere an der flämischen Abfallpolitik ist aber, dass sie die Vermeidung einschließt: Pro Einwohner werden jährlich über 5 Kilogramm an Dingen wiederverwertet, ab 2022 schreibt das Gesetz 7 Kilogramm vor. Von den 78.000 Tonnen Abfall, die das Netzwerk De Kringwinkel 2017 eingesammelt hat, sind mehr als die Hälfte verkauft worden; der Rest wurde recycelt, nur 3 Prozent wurde entsorgt.

Deutschland hat zwar ähnlich hohe Recyclingraten, doch das besonders ressourcenschonende „Re-Use“ liegt brach. Anders als beim Recycling, bei dem Gegenstände so weit wie möglich zerlegt und die Bestandteile als „Sekundärrohstoff“ verfügbar gemacht werden, setzt Re-Use früher an. Es steht auf der Abfallhierarchie, die festlegt, in welcher Reihenfolge Müll bewirtschaftet werden soll, erst auf Platz drei, hinter der Vermeidung und der Vorbereitung zur Wiederverwertung, etwa der Reparatur. Auch Deutschland hat die entsprechenden EU-Vorgaben dazu umgesetzt und ein „nationales Abfallvermeidungsprogramm“ beschlossen.

Obwohl Rohstoffexperten – etwa vom Umweltbundesamt oder vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie – sich einig sind, dass die sinnvollste Methode zur Müllvermeidung ist, Dinge möglichst lange zu nutzen, behandelt die deutsche Abfallpolitik das Thema als Nebensache. „Re-Use“ hierzulande findet auf Flohmärkten, in Ramschläden, in Antiquariaten oder Secondhandshops statt, offizielle Zahlen über Re-Use gibt es nicht.

Einzelne Bundesländer diskutieren darüber, die Wiederverwertung öffentlich zu fördern, haben Forschungsprojekte angestoßen oder denken über ein Logo nach, um den Gebrauchtwarenhandel aufzuwerten. Aber trotzdem: „Wir stehen ganz am Anfang“, sagt Nadja von Gries, die für das Wuppertal Institut die Re-Use-Strategie in Flandern erforscht. „In Deutschland sammeln die Kommunen alte Elektrogeräte ein“, sagt von Gries, „und geben sie in der Regel an Recyclinganlagen weiter.“ Dort werden sie in ihre Bestandteile zerlegt und als „Sekundärrohstoff“ – Kunststoffgranulat oder Metall – wieder verkauft. „Die Gebrauchtwarenläden haben zu selten Zugriff“, so von Gries, „das ist ein Problem.“ Denn wenn ein Mitarbeiter davon ausgeht, dass der alte Kühlschrank geschreddert wird, dann geht er anders mit ihm um, als wenn er repariert und verkauft wird. „Die Wiederverwendungsbetriebe müssten die Möglichkeit bekommen, Elektrogeräte oder Sperrmüll einzusammeln“, sagt von Gries, „auch damit sie genügend Waren finden, die sich lohnend reparieren und dann wieder verkaufen lassen.“

Die Industrie sieht Re-Use in Teilen kritisch: Zwar sei der Ansatz von De Kringwinkel sinnvoll, heißt es etwa beim Hausgerätehersteller Miele. Allerdings habe Miele einen „hohen Qualitätsanspruch“. Der müsse auch im Gebrauchtwarenhandel gewährleistet sein. BSH Hausgeräte, ein Gemeinschaftsunternehmen von Bosch und Siemens, sieht die Sache entspannter: Weil die von De Kringwinkel verkauften Gebrauchtgeräte gesetzlichen Garantiebestimmungen unterlägen, sehe man keine Qualitätsprobleme. Insgesamt ist Re-Use bei den Unternehmen eher Teil des Nachhaltigkeits-Marketings: Nach einer Untersuchung des Wuppertal Instituts hat sich die Zahl der Patentanmeldungen in dem Bereich Wiederverwertbarkeit in den vergangenen 20 Jahren halbiert.

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