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heute in hamburg„Zeit, Materie, Liebe – alles ist flüchtig“

Foto: Sandra Then

Thom Luz, 36, ist Theaterregisseur aus Zürich. In seinen Stücken benutzt er regelmäßig Nebel auf der Bühne.

Interview Maren Knödl

taz: Sie vernebeln bei einem Konzert eine Kirche. Sieht man da überhaupt noch, wo man hintritt, Herr Luz?

Thom Luz: Als Zuschauer steht man nicht im Nebel, sondern schaut von der Empore aus in den Nebel. Der ist unten im Kirchenraum. So, wie wenn man von einem Berg ins neblige Tal schaut. Der Raum ist verwandelt. Und dazu gibt es Orgel und Geige, die ebenfalls ungewöhnlich mit dem Klangraum Kirche umgehen.

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Musikkonzert mit einer Nebelinstallation zu verbinden?

Der Titel des Stücks von Tobias Preisig und Stefan Rusconi ist „Levitation“, also Schwerelosigkeit. Auch der Nebel hat diese Eigenschaft. Aber wie das zusammen wirkt, wissen wir auch noch nicht. Wir machen das so in Hamburg zum ersten Mal. Aber so haben die Besucher die Freiheit, selbst zu entdecken oder nicht zu entdecken, was sie möchten. Auch dadurch, dass sie kommen und gehen können, wie sie möchten. Wir wollten das klassische Konzertformat mal aufbrechen.

Der Nebel ist auch ein wiederkehrendes Element in ihren Stücken. Genauso wie die Musik. Welche Bedeutung haben diese Elemente für Sie?

Der Nebel steht für alles Flüchtige. Damit haben wir ja ständig im Leben zu tun. Zeit, Materie, Liebe – alles ist flüchtig. Und Musik ist wie Nebel – physikalisch fast nicht existent. Trotzdem hat sie eine unglaubliche Wirkung beim Zuhörer. Das hat mich schon immer fasziniert.

Also verfolgen Sie einen sehr philosophischen Ansatz.

Schon, aber die Arbeiten entstehen mehr aus dem praktischen Ausprobieren. Ich sammle seit Jahren Nebelmaschinen, und als der Vorschlag von moebius Produktion kam, eine Kirche mit Nebel zu füllen, habe ich mich über die Herausforderung gefreut. Wie eine so flüchtige Intervention die Raumperspektive nachhaltig verändert, hat uns dann sehr gefallen.

Konzert: Tobias Preisig & Stefan Rusconi/ Thom Luz & Moebius, „Levitation/Sea of Fog“, 19 Uhr, St. Gertrud Kirche, Immenhof 10, Ein- und Austritt jederzeit möglich

Und wenn der Nebel sich verflüchtigt hat, was hat dann noch Bestand?

Es ist nicht meine Absicht, philosophische Fragen schnell zu beantworten. Es soll eher darum gehen, neue Einblicke durch Perspektivwechsel zu ermöglichen: musikalisch, architektonisch und meinetwegen auch philosophisch.

Was wollen Sie den Besuchern des Konzerts noch mitgeben?

Es ist eine höfliche Einladung zum bewegten Stillstand. Und dabei wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.

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