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Verbandsvize über Leichtathleten„Nacktes Überleben“

Verbandsvize Carsten Decker hofft, dass Leichtathleten durch eine Selbstvermarktung im Netz mehr Geld verdienen können.

Aus Niedersachsen und dieses Jahr bei der EM dabei: Imke Onnen Foto: dpa
Andrea Maestro
Interview von Andrea Maestro

taz: Herr Decker, kaum jemand kennt die Namen der Sportler, die für Deutschland bei der Leichtathletik-EM in Berlin antreten. Sollten sich Athleten stärker in den sozialen Medien vermarkten?

Carsten Decker: Das passiert bereits. Die Sportler und Sportlerinnen vermarkten sich im Internet und stellen sich in der Öffentlichkeit dar. Im Sport geht die Schere finanziell sehr weit auseinander. Viele Profis in der Leichtathletik kämpfen ums nackte Überleben.

Inwiefern?

Nach dem Abitur wollen sie studieren und müssen nebenbei Geld verdienen. Viele geben dann den Leistungssport auf. Wenn die Sportler bekannter werden, werden Sponsoren eher auf sie aufmerksam.

Aber birgt es nicht auch Risiken, wenn sich gerade junge Athleten über Instagram oder Facebook präsentieren müssen?

Man gibt viel von sich preis und macht sich angreifbar. Das ist gerade für Frauen ein Risiko, weil dort Menschen unterwegs sind, die andere Absichten haben und versuchen, Kontakt aufzunehmen. Außerdem gibt es die Gefahr, dass nur die Topleute, auf die sich die öffentliche Aufmerksamkeit konzentriert, Geld verdienen. Das verkennt aber, dass die Guten auch aus der Breite kommen. Die muss gefördert werden.

Im Fußball ist es üblich, dass der Nachwuchs eine Social-Media-Schulung bekommt. Wie ist das in der Leichtathletik?

Es wäre sinnvoll, wenn die Sportler beraten würden. Aber woher soll das Geld für so eine professionelle Begleitung kommen? Natürlich gibt es viele Agenturen, die so etwas anbieten, aber die wollen auch Geld verdienen. Wir sind froh, dass wir im niedersächsischen Leichtathletikverband den Apparat aufrecht erhalten können. Im Präsidium arbeiten wir ausschließlich ehrenamtlich. In der Geschäftsstelle schieben die Mitarbeiter Überstunden vor sich her. Die Leichtathletik wird stiefmütterlich behandelt, dabei wollen alle, dass bei internationalen Wettkämpfen Deutsche erfolgreich sind.

Was ist nötig, um den Sport zu professionalisieren? So etwas wie den Umgang mit Social Media hätte Teil der Leistungssportreform des Bundes sein können.

Das Bundesinnenministerium hat mit dem Deutschen Olympischen Sportbund ein Konzept ausgearbeitet, um den Leistungssport in Deutschland neu zu strukturieren und Spitzensportler zu fördern.

privat
Im Interview: Carsten Decker

48, selbst ehemals Zehnkämpfer, ist Vizepräsident des niedersächsischen Leichtathletikverbandes und hauptberuflich Polizeibeamter.

Noch wissen wir nicht, wie genau es nun weitergeht. Fest steht, dass wir mehr Geld brauchen, wenn wir nicht wollen, dass Leistungssportler abspringen statt eine sportliche Karriere zu machen. Wir haben beim niedersächsischen Landessportbund bereits einen Antrag gestellt, um unseren Leistungssportetat zu erhöhen. Die Frage ist doch, was kostet ein Athlet pro Monat.

Und?

2.000 Euro. Darin enthalten sind Mobilität, eine Unterkunft am Stützpunkt in Hannover, die Ausrüstung und auch ein Taschengeld, damit derjenige eben nicht nebenbei arbeiten muss. Das sind 24.000 Euro pro Jahr. Wenn wir zehn Topathleten mit Olympiakandidatur fördern, sind das nur 240.000 Euro. Ein Witz, wenn man es mit dem vergleicht, was ein einzelner Spieler in der Fußballbundesliga im Monat verdient.

Wie ist Niedersachsen für die EM aufgestellt?

Niedersachsen ist in diesem Jahr mit vier Athleten vertreten. Unser Lokalmatador Eike Onnen tritt im Hochsprung an, ebenso seine Schwester Imke. Eine richtige Springerfamilie. Fabian Dammermann läuft in der Staffel und die Dreispringerin Neele Eckhardt aus Göttingen, die gerade erst Deutsche Meisterin geworden ist, hat sich ebenfalls qualifiziert. Die ist in einer Topverfassung.

Sind Medaillen zu erwarten?

Da bin ich vorsichtig. In der europäischen Bestenliste geht es immer um Zentimeter. Die Athleten der Top 20 liegen sehr dicht beieinander. Da ist alles möglich. Aber man muss natürlich an dem Tag auch alles abrufen können und dem Druck gewachsen sein. Bei einer Europameisterschaft steht man im Fokus und damit geht jeder anders um. Die Sportler müssen auch im Stadion abschalten und auf Tunnelblick schalten können. Gerade für die jüngeren Athleten geht es aber auch darum, international gute Erfahrungen zu sammeln.

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