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Ausgehen und rumstehen von Volkan AğarHipsterpunk mit Dönershirtals Charaktermaske

Der Schokoladen spuckt uns aus auf die Straße. Andere verschluckt er. Das Haus wirkt wie ein Außerirdischer in der Ackerstraße. Früher besetzten sie Häuser in dieser Gegend in Mitte. Heute steht der Schokoladen mit seinem linksradikalen Antlitz ziemlich alleine dort, wo sich hippe Galerien und schicke Geschäfte reihen. Dem Schokoladen scheint das herzlich egal. Mit einem Hoffest feiert er seinen 28. Geburtstag. Und schluckt und spuckt drei Tage lang Menschen aus.

F. begleitet mich. Er ist ein Mann der Gerechtigkeit, aber kein Mann der linken Feste. Vieles, was mir nicht auffällt, fällt ihm auf. Manchmal schüttelt er den Kopf.

Menschen im bunten Hof sind schwarz angezogen, sie tragen Metall im Gesicht, gewollt unregelmäßige Frisuren, andere in Szene gesetzte Abweichungen. Darunter mischt sich das Normalvolk. An Geburtstagen kommt man eben zusammen. Ein großes rotes Herz leuchtet an der Wand, daneben steht: „Friedrich, verpiss dich, keiner vermisst dich.“ F. fragt mich: „Meinen die Prinz Pi?“ (Gruß an den ehemaligen Eigentümer.) Es gibt „Vöner“ oder „vegetarischen Döner“ gegen „freie Spende“. „Spendenvorschlag“: 3 bis 4 Euro, für einen guten Zweck: Reparaturkosten der Rigaer 78.

In diesem Hof ist der Kommunismus fast ausgebrochen. Die Zweiklassengesellschaft zeigt sich noch am Bier: Sterni für 1,50, Augustiner für 2,50. Linksradikale Ästhetik kämpft gegen spätkapitalistische Realität. Hipster mischen sich unter Punks und alte Hausbesetzer.

Vorbei an Dixiklos und über Absperrband retten wir uns von dem Gedränge auf die andere Straßenseite. F. schüttelt den Kopf. Ob ich das gesehen hätte. Was gesehen? Er deutet auf einen jungen Mann in einer der kleinen Sitzgruppen, die mehrere Häuser weiter auf dem Bordstein sitzen und trinken. Die Gruppe, auf die er deutet, sitzt vor einem hochnäsigen Antiquariat. F. zeigt auf das weiße T-Shirt des jungen Mannes, das ein roter Dönermann ziert – jenes Bild auf dem Papier, in dem man das Fleischsandwich serviert bekommt.

F. fragt: „Was will er damit sagen?“ Ich kann auf seine Frage nicht antworten. „Bestimmt will er damit irgendetwas aussagen“, sagt F. Und er fragt ihn. Der junge Mann wolle der gesellschaftlichen Stigmatisierung des Döner Kebabs entgegenwirken, erzählt F. mir dann. Was halten wir davon? F. sagt: „Ich weiß wirklich nicht.“

Das Fest geht drei Tage. Wir kommen am nächsten Abend wieder. Weil wir am ersten Tag die Konzerte verpasst haben. Und weil der Ort anzieht. Auch F., den Mann der Gerechtigkeit, der keiner der linken Feste ist. Wir wiegen uns zu Synthesizern. Soft Grid spielt. Experimentelle Musik zweier Frauen, die mit hoher Stimme ins Mikro schreien. Abgründig. Wütend. Melancholisch. Egal was alles auch nicht stimmt, egal wie verschiedenen wir sind: Wir fühlen das. F. schaut zufrieden. F. nickt.

In dem Gewiege kämpft sich ein Mann durch die Menge. Das ist der Mann von gestern, der Mann mit dem Dönershirt. Ganz sicher bin ich mir dann doch nicht. Der junge Mann von heute trägt einen hochgegelten Irokesen. Hatte er gestern kein Gel in den Haaren? Ist auch egal. Auch Hipsterpunks sind Charaktermasken. Wichtiger: Der Mann trägt wieder ein T-Shirt. Das Motiv: ein Bereitschaftspolizist, der mit einem Knüppel zum Schlag ausholt und rot durchgestrichen ist.

F. wiegt sich zur Musik, er sieht ihn nicht. Später, als wir mit einem Getränk draußen auf dem Bordstein sitzen, erzähle ich F. von dem jungen Mann mit dem T-Shirt. F. lacht. Ein ­T-Shirt für mehr Stigmatisierung der Polizei? Hauptsache, er will irgendetwas sagen. Hauptsache, er glaubt an etwas. Hauptsache, alle haben ihren Spaß.

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