Razzia in linkem Kulturzentrum: Polizei beschlagnahmt Server
Die Polizei hat ein linkes Zentrum in Dortmund durchsucht. Betroffene Internetaktivisten werten das als Angriff auf die Pressefreiheit.
Schwer bewaffnete Polizisten haben am Mittwochabend das linke Kulturzentrum Langer August in der Dortmunder Nordstadt gestürmt. Ziel der Durchsuchung war der Verein Wissenschaftsladen Dortmund (WiLaDo), der Internetdienste anbietet und im Langen August einen Serverraum betreibt. Durchsucht wurden aber auch die Räume der anderen Gruppen im Haus. Laut Wissenschaftsladen wurden dabei ein Servergehäuse mit mehreren kleinen Servern, Kontoauszüge, Verträge, ein Rechner und einige weitere Gegenstände beschlagnahmt.
Der Wissenschaftsladen Dortmund setzt sich für freien und unzensierten Informationsaustausch ein und bietet mit seinem Projekt „FREE!“ Internetdienstleistungen und Infrastruktur an. Unter seinen Nutzern sind nach Eigendarstellung viele Aktivisten und progressive Gruppen. Der Polizeieinsatz in Dortmund galt einem Server, der von der Plattform Systemausfall genutzt wird. Auch dieses stellt Aktivisten Mailinglisten, Cloudspeicher und Hostingdienste zur Verfügung.
Anlass für die Durchsuchung des Wissenschaftsladen Dortmund und die Beschlagnahmung des Servers ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdacht des Ausspähens von Daten. Aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgericht Köln geht hervor, dass der Server offenbar von Unbekannten missbraucht wurde, um gestohlene Daten auf eine Website hochzuladen. Konkret geht es Dokumente, die nach Erkenntnis französischer Ermittler Mitte Juni bei einem IT-Angriff auf das Unternehmen Ingérop entwendet wurden, darunter Pläne von vier französischen Gefängnissen, Unterlagen zur Infrastruktur des Atomkraftwerks in Fessenheim und zur Straßenbahn in Barcelona.
Eine Sprecherin des Wissenschaftladen kritisierte die Behörden für ihr Vorgehen. Die hätten das Team auch einfach darauf hinweisen können, dass ein Server in ihren Räumen für illegale Aktivitäten genutzt wird, damit sie selbst Maßnahmen dagegen ergreifen können. Ohne Notwendigkeit seien Türen aufgebrochen und die Räume teils ohne Anwesenheit von Zeugen durchsucht worden. Besonders kritisch sieht sie, dass nicht nur Räume des Wissenschaftsladens, sondern auch die der anderen Gruppen im Haus durchsucht worden sind. Dabei seien spontan auch Dinge beschlagnahmt worden, die in keinem Zusammenhang mit dem Anlass der Durchsuchung stünden.
Radiosender ein Tag lang offline
Verantwortlich für die Ermittlungen ist die Ansprechstelle Cyberkriminalität Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW), die Teil der Staatsanwaltschaft Köln ist. Der Pressesprecher in Wirtschaftsstrafsachen René Seppi wollte sich am Donnerstag aus ermittlungstaktischen Gründen nicht zu den Vorgängen äußern.
Von der Abschaltung des Server sind eine Reihe von Diensten und Websites betroffen. So war auch die Seite des linken Hamburger Radiosenders FSK 93.0 vom späten Mittwochabend bis Donnerstagnachmittag offline. Ein Mitglied der Geschäftsführung bezeichnete die Beschlagnahmung des Servers in einer Pressemitteilung als Eingriff in die Pressefreiheit und forderte dessen sofortige Rückgabe. Seit Donnerstagnachmittag ist die Website des FSK wieder online, allerdings nur in einer Art Light-Version, die nichts als den Live-Stream des Radioprogramms und die Pressemitteilung zeigt.
Die Plattform Systemausfall, deren Server beschlagnahmt worden war, gab auf seiner Seite den Ausfall verschiedener Online-Dienste bekannt. Von den Nutznießern forderten sie einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren kostenfreien Diensten: „Während wir für die technische Seite verantwortlich sind, tragen unsere Nutzenden die inhaltliche Verantwortung und wir erwarten einen entsprechenden rücksichtsvollen Umgang mit den bereitgestellten Diensten“.
Schon am 20. Juni hatte es Razzien bei Internet-Aktivisten gegeben. Damals waren die Räume des Vereins „Zwiebelfreunde“ in Dresden und die Wohnungen mehrerer Vorstandsmitglieder in verschiedenen deutschen Städten durchsucht und dabei diverse Datenträger beschlagnahmt worden. Offizieller Grund für die Maßnahme war die Suche nach den Urhebern eines Blogs, der zu Gewalt gegen den AfD-Parteitag in Augsburg aufrief. Die Kontakt-Email auf dem Blog lag beim alternativen Mailanbieter Riseup, für den die Zwiebelfreunde Spenden gesammelt hatten.
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