Gesegneter Tunnel

Mit sakralem Beistand feiern die Stuttgart-21-Verantwortlichen den Baufortschritt. Gegner protestieren

„Das Projekt wird durch ein Segensetikett nicht richtiger“

Guntrun Müller-Enßlin, evangelische Pastorin

Von Leonardo Pape

Beim Feiern bleiben die Stuttgart-21-Verantwortlichen offenbar lieber unter sich. Zumindest sind Medien und andere Organisationen am Dienstag nicht zum Durchstich des Feuerbachtunnels eingeladen, der den künftigen Bahnhof auf einer Strecke von drei Kilometern mit dem Streckennetz der Bahn in Richtung Mannheim verbinden soll. Es ist ein weiterer Meilenstein für das Bahnhofsprojekt, das seit Jahren in der Kritik steht.

Auf der Gästeliste des Privatevents stehen unter anderem Bahnchef Richard Lutz, die Wirtschaftsministerin Baden-Württembergs, Nicole Hoffmeister-Krauth, der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger, und der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Genau die richtigen Adressaten für den Protest der Gegner des Großprojekts. Diese haben für Dienstag eine Demonstration angekündigt – vor dem Zugang zum Tunnel, wo Kundgebungen möglich sind.

Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hatte erst vergangene Woche Strafanzeige gegen Lutz, Exbahnchef Rüdiger Grube und den ehemaligen Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer wegen Untreue erstattet. Die Aktivist*innen werfen außerdem den Finanzierungspartnern von Stuttgart 21 Verschleppungstaktik bei der Aufteilung der gestiegenen Kosten für das Projekt vor. Zum Streit um die Kosten läuft ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart.

Besonders ärgerlich finden die Stuttgart-21-Gegner die Segnung des Tunnels durch einen katholischen Diakon. „Wie kann man ein Projekt feiern, das den Steuerzahler weit über 5 Milliarden Euro mehr kosten wird, als hoch und heilig versprochen?“, fragte Eisenhart von Loeper, Sprecher des Bündnisses, im Gespräch mit der taz. Die Gruppe „Stuttgart 21 – Christen sagen Nein“ hatte schon mehrfach kritisiert, Tunnelsegnungen für das Bauprojekt würden politisch instrumentalisiert. „Stuttgart 21 ist lebensfeindlich. Es wird nicht dadurch richtiger, dass die katholische Kirche ihr Segensetikett darauf klebt“, so die evangelische Pastorin Guntrun Müller-Enßlin, die in der Gruppe mitwirkt.

Stuttgart 21 soll statt der veranschlagten 4,5 mehr als 8 Milliarden Euro kosten. Fertig soll der neue Bahnhof im Jahr 2025 sein. Dafür müssen 16 Tunnel mit einer Gesamtlänge von mehr als 59 Kilometern gebaut werden.