Badestelle an der Spree mitten in Berlin: Da ist was im Fluss
Dass die Spree zum Schwimmen taugt, war beim Flussbad-Pokal zu sehen. Auch die Politik begeistert sich für das Projekt. Das Problem: der Denkmalschutz.
Die Monbijoubrücke am vergangenen Sonntag: Die Sonne strahlt auf den entblößten Körper eines Mannes, definiert sind seine Muskeln – stramme Waden, strammes Gesäß. Ungeniert steht er vor dem Eingang des Bode-Museums an der Nordspitze der Museumsinsel.
Und rund um diesen „Hektor“, der Bronzeskulptur von Markus Lüpertz, haufenweise knallgelbe Badehauben. Denn es war an dem Tag wieder so weit: Hunderte Schwimmer*innen hechteten beim nunmehr 4. Flussbad-Pokal in den Kupfergraben.
Seit 20 Jahren arbeiten die Brüder Jan und Tim Edler daran, den Spreekanal an der Museumsinsel zu einer öffentlichen Badestelle zu machen – das jährliche Wettschwimmen soll zeigen, wie sich das anfühlen würde. 1998 sprachen die beiden Architekten zum ersten Mal öffentlich über ihre Idee, 2011 gewannen sie damit den Holcim-Award für nachhaltiges Bauen, 2012 entstand der Flussbad-Verein, der 2014 rund 4 Millionen Euro von Bund und Land erhielt.
Vergangenen November war es schließlich so weit: Fraktionsübergreifend forderte das Berliner Abgeordnetenhaus den Senat auf, sich des Projekts anzunehmen.
Die Sache ist also im Fluss, mit guten Gründen: Durch das Flussbad würde die innerstädtische Spree renaturiert und die Wasserqualität steigen, mitten in der versiegelten Stadtmitte würde ein Naturerlebnis Anwohner*innen, in Mitte Arbeitende sowie Tourist*innen zusammenbringen.
Bad kann und soll Realität werden
Zwar bleibt das Projekt kompliziert, schon aus technischen Gründen wie der natürlichen Filterung des Wassers und weil der Kupfergraben als Bundeswasserstraße verwaltet wird wie der Rhein. Weitestgehend einig sind sich Aktivist*innen und Politik dennoch: Das Flussbad kann und soll Realität werden.
Beginnen würde das Flussbad plangemäß beim Auswärtigen Amt, was laut Außenminister Heiko Maas (SPD) den „internationalen Besuchern eindrucksvoll ein Stück Berliner Lebensart vor Augen führen“ würde. Auf den letzten Metern zur anvisierten Badestelle sind allerdings jene alarmiert, die den Status der Museumsinsel als Unesco-Weltkulturerbe gefährdet sehen. Und so ist „das größte Thema“, wie die zuständige Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher (Die Linke) sagt, „das Projekt dem Denkmalschutz entsprechend zu gestalten“.
Universitär: Am 16. Juli stellen Studierende der HU im Flussbad-Garten an der ESMT Berlin, Friedrichsgracht/Ecke Sperlingsgasse, ihre Ergebnisse zur juristischen Perspektive des Flussbad-Projektes vor. Beginn des öffentlichen Seminars ist um 16 Uhr.
Info: Weitere Termine und Informationen: www.flussbad-berlin.de
Zwar hätte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Schwimmer*innen des Flussbad-Pokals bei einem eventuellen wetterbedingten Ausfall der Veranstaltung in die Kulturstätten der Museumsinsel eingeladen. Dennoch bleibt die Linie der Stiftung, dass sich der Kupfergraben im Bereich der Museumsinsel für ein Flussbad nicht eigne, da die „bauliche Einheit“ von Ufermauer und Museumsbauten zugunsten der „Aura“ der Museumsinsel zu schützen sei, wie Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, sagt. Wemhoff spielt damit auf eine mögliche Absenkung der Ufermauer an, um die Spree über eine breite Treppe zugänglich zu machen. Eine Option, auf die der Verein Flussbad Berlin mittlerweile schon verzichtet.
Die Kritiker*innen des Flussbades, die im Namen des Denkmalschutzes argumentieren, wollen folglich nicht etwa Bausubstanz konservieren – sondern die Identität des Ortes als Stätte der Hochkultur.
Katrin Bräutigam lebt seit drei Jahren in Berlin. Wie mehr als 400 andere Menschen ist auch die junge Frau am Sonntag durch den Kupfergraben geschwommen. Auf dem Weg zur Arbeit radele sie zwar an der Museumsinsel vorbei – ein Ort, „wo man täglich hingeht“, sei diese aber nicht.
Lebendig umrahmtes Denkmal
Als „homogenes Implantat“ versteht Jan Edler deshalb Berlins historische Stadtmitte. Der Flussbad-Initiator sagt, es gäbe „eine Klientel von Menschen, die für sich reserviert sehen, wie die Stadt im Zentrum auszusehen hat“, gleichzeitig aber nicht den Querschnitt der Stadtbevölkerung abbilde. Für jene Gruppe sei die Museumsinsel ein Ort der Bildung, „wo man im Idealfall sonntags im Gehrock flanieren geht“, sagt Edler.
Daniel Bouvain
Silke Gebel, Vorsitzende der grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus, ist indes überzeugt, dass die Museumsinsel von dem geplanten Flussbad profitieren würde: Auch Denkmal lebe davon, „lebendig umrahmt“ zu werden. Gleichzeitig gehe es bei dem Projekt nicht allein ums Baden, sagt Gebel, sondern auch „um die Wiederaneignung eines öffentlichen Raumes“, der zu zentral sei, um nicht genutzt zu werden.
Oder, um es mit den Worten von Daniel Bouvain zu sagen: „Hier geht es darum, ein Zeichen zu setzen. Für eine Stadt, die lebt, und für sauberes Wasser.“ Der 20-jährige Hamburger hat am Sonntag einen neuen Rekord beim Flussbad-Pokal erschwommen.
Gerade ältere Menschen aber, meint Jan Edler, würden mit dem Flussbad „ihre Werte davonschwimmen sehen“.
Oder sie fühlen sich bedroht. Willfried Wilke verkauft seit einem Jahrzehnt auf dem Buch- und Antiquitätenmarkt am Bode-Museum. Die Flussbad-Aktivist*innen findet der 66-Jährige „noch extremer als die Fahrradfahrer“, die auch nur an sich denken würden. Wilke befürchtet, das Projekt würde den Markt verdrängen. Angekündigt worden sei das aber noch nicht.
Wolf-Rüdiger Franck, Jahrgang 1944 und Mitglied von Flussbad e. V., dagegen scheut einen Wandel nicht. Im Schatten eines Weltkulturerbes erst in die Badehose und dann ins Wasser zu steigen, findet er nicht problematisch. „Gegensätze ziehen sich an“, sagt er, „und die Statuen hier sind ja auch alle nackt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei